Wenn Teammitglieder per Video, E-Mail oder Chat sexuell Ÿbergriffig werden.
Wer glaubt, sexuelle BelŠstigung in der Arbeitswelt fŠnde nur im BŸro statt, der irrt. Der Bericht von ãRights of WomenÒ zeigt, dass TŠter auch online ihre Wege finden. Ob per E-Mail, Video oder Telefon: Sexuelle BelŠstigung im Home Office hat sich vor allem in der Corona-Pandemie als ernsthaftes Problem herausgestellt. Was Betroffene tun kšnnen, wenn sie virtuell belŠstigt werden.
Die Frauenrechtsorganisation ãRights of WomenÒ fŸhrte Ende 2020 in Gro§britannien eine Umfrage durch, um Informationen Ÿber die Erfahrungen von Frauen mit sexueller BelŠstigung im BŸro und im Home-Office zu sammeln. Die Umfragedaten zeigen, dass Frauen wŠhrend der Covid-19-Pandemie trotz Distanzarbeit hŠufiger von sexueller BelŠstigung betroffen waren.
Die Ergebnisse der Untersuchung richten den Fokus auf MissstŠnde in der modernen Arbeitswelt:
Im Interview erklŠrt pme-SozialpŠdagogin und Beraterin Petra KrŠmer, wie sich Opfer schŸtzen kšnnen und welche Ma§nahmen Arbeitgeber:innen ergreifen sollten.
Petra KrŠmer: Laut der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist Òjedes sexualisierte Verhalten, das von der betroffenen Person nicht erwŸnscht ist, sexuelle BelŠstigung. Dazu zŠhlen nicht nur verbale und physische BelŠstigungen wie sexualisierte SprŸche oder unerwŸnschte BerŸhrungen, sondern auch nonverbale Formen wie anzŸgliche Blicke oder das Zeigen pornographischer Bilder.Ó GrundsŠtzlich schŸtzt das Allgemeine Gleichstellungsgesetz Menschen, wenn der Vorfall objektiv einen sexuellen Charakter hat und die betroffene Person dies als BelŠstigung einordnet. Die Reaktion, dass das Verhalten so nicht gemeint war, gilt somit nicht.
Aus meiner Sicht kann ich mich auf unterschiedliche Arten schŸtzen:
Im BŸro und damit im direkten Kontakt kann ich unmittelbar reagieren, wenn ich selbst oder andere betroffen sind. ZunŠchst kann es helfen, in der Alltagssprache sexualisierte SprŸche und Verhaltensweisen nicht zu tolerieren und unmittelbar Position zu beziehen. Vermeintlich harmlose ÒSpЧeÓ sollten bereits angesprochen werden, sobald ich mich unwohl fŸhle. Die eigene Wahrnehmung ist hier ein wichtiger Gradmesser. Insgesamt ist eine ArbeitsatmosphŠre frei von BelŠstigung anzustreben und das auf allen Ebenen, in Bezug auf Vorgesetzte, Kollegen und Kunden.
Online ist es sicherlich hilfreich, die eigene PrivatsphŠre zu schŸtzen. Dies kann auf der einen Seite geschehen, indem man Hintergrundbilder nutzt und die Computerkamera abdeckt. Auf der anderen Seite geht es um die persšnliche AbwŠgung: Welche Sozialen Medien nutze ich, welche Bilder und Videos poste ich dort, insbesondere im Hinblick auf die verschiedenen Datenschutzbestimmungen der genutzten KanŠle?
In Zeiten der Pandemie haben manche Unternehmen Ad-hoc-Lšsungen gefunden. Es gilt jedoch zu Ÿberlegen, ob diese weiterhin Bestand haben sollten, beispielsweise die dienstliche Nutzung von WhatsApp-Gruppen. Das private Mobiltelefon und somit die private Nummer sollte aus meiner Sicht privat bleiben.
Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes berichtet Ÿber einen sprunghaften Anstieg der Beratungsanfragen zu diesem Thema. Ich denke, dass die Pandemie fŸr viele Menschen eine Ausnahmesituation war und genauso wie im Netz insgesamt eine gefŸhlte AnonymitŠt herrscht. Mensch sitzt alleine zu Hause und fŸhlt weniger die soziale Kontrolle der Kolleg:innen und Vorgesetzten. Die meist stabilisierende frŸhere Alltagsstruktur lšste sich fŸr viele auf. Dies verleitete wohl manchen zu Ÿbergriffigem Verhalten und GrenzŸberschreitungen.
Es gibt verschiedene Mšglichkeiten, am Arbeitsplatz um UnterstŸtzung zu bitten. Jede/r Arbeitgeber:in ist verpflichtet, hier Strukturen aufzubauen. Eine Beschwerdestelle kann intern oder extern fungieren. So bietet der pme Familienservice beispielsweise fŸr einige Unternehmen den Dienst der Beschwerdestelle an. Wir beraten betroffene Menschen und planen die nŠchsten Schritte. Sollte der/die Mitarbeiter:in sich zu einer offiziellen Beschwerde entschlie§en, muss der/die Arbeitgeber:in dies prŸfen und entsprechende Ma§nahmen einleiten. Auch Vorgesetzte oder Betriebsrat sollten fŸr diese Themen ansprechbar sein.
ZunŠchst ist PrŠvention wichtig. Im Unternehmen sollte PrŠvention als Teil des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gelebt werden. Dies beginnt bei BroschŸren und Plakaten und entsprechenden Infos im Intranet mit der Nennung mšglicher Ansprechpartner im Unternehmen. Hilfreich ist ein genauer Ablauf, mit wem Betroffene erste GesprŠche fŸhren kšnnen und wie gegebenenfalls eine Beschwerde gefŸhrt werden kann. Jeder Einzelfall ist objektiv zu prŸfen, und es sind geeignete Ma§nahmen zu ergreifen. Diese kšnnen von Er- oder Abmahnungen Ÿber Versetzungen bis hin zu KŸndigungen reichen. Hier sind juristische Beratungen sicherlich sinnvoll.
Die Folgen kšnnen ganz unterschiedlich sein. Meistens sind GefŸhle von Ekel, Empšrung, Erstarrung und Verunsicherung die erste Reaktion. Manche Betroffene fragen sich, ob sie den TŠter eingeladen haben, sich Ÿbergriffig zu verhalten. Dies kann zu Scham und SchuldgefŸhlen fŸhren.
Eine Auseinandersetzung mit dem Erlebten ist sicherlich sinnvoll. GesprŠche mit Fachpersonen in Beratungsstellen oder Therapeuten kšnnen Raum bieten, um das Erlebte aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und sich selbst als handelnde Person statt als Opfer zu erleben. Letztlich sollte das Erlebte als Teil der eigenen Geschichte abgelegt werden kšnnen, aus dem man vielleicht sogar gestŠrkt herausgeht.
Traumatisierte Menschen reagieren mit einem ÒNotprogrammÓ, das im Alltag jedoch hŠufig Schwierigkeiten aufwirft. Hier sind in jedem Fall Therapeuten zur UnterstŸtzung gefragt.
WeiterfŸhrende Informationen:
"Die Spuren sexueller Gewalt" (Zeit Online)
Umfrage der Frauenrechtsorganisation "Rights of Women"
Petra KrŠmer ist SozialpŠdagogin, systemische Beraterin und seit 2019 an der LLC-Hotline und im LLC-Orga-Team tŠtig.