Generalisierte Angst, Panik, Agoraphobie: Was ist Angst und welche Angststörungen gibt es?
Angst hilft uns dabei, konzentriert zu sein und Gefahren richtig einzuschätzen. Angst kann aber auch zur großen Belastung und Krankheit werden, wenn sie außer Kontrolle gerät. Dann verliert sie ihre nützliche Alarmfunktion
Jeder Mensch kennt das Gefühl von Angst. Angst kann in unterschiedlichen Situationen auftreten, etwa vor einer Prüfung, im Dunkeln, bei einem Gewitter oder wenn man vor Publikum eine Rede halten soll.
Die Angst, die hierbei entsteht, ist sowohl körperlich als auch seelisch spürbar, z.B. durch starkes Herzklopfen, feuchte Hände oder Zittern in der Stimme.
Den meisten Menschen ist der Umgang mit diesen oft unangenehmen Gefühlen vertraut. Sie nehmen sie als normale Reaktion auf eine ungewöhnliche oder selten auftretende Situation wahr. Die Gefühle verlieren so ihre Bedrohlichkeit.
Es ist ganz normal, Angst zu haben. So lange die Angst überschaubar bleibt – also für den Menschen handhabbar –, erfüllt sie einen wertvollen Zweck: Sie sorgt für unsere Aufmerksamkeit in schwierigen Situationen, etwa im Dunkeln oder vor einer wichtigen Präsentation. Die Angst kann so zu einer risikobewussten Auseinandersetzung mit der Umwelt beitragen und im Alltag vor Gefahren schützen.
Wenn der Mensch Angst fühlt, wirkt sich dies auch auf den Herzschlag aus. Dieser wird fühlbar beschleunigt, weil mehr Blut durch den Körper gepumpt wird und die Muskeln mit viel Sauerstoff versorgt werden. Der Körper wird so auf eine möglicherweise notwendige schnelle Reaktion vorbereitet.
So hatte die Angst im Laufe der Entwicklung der Menschheit immer auch die Funktion, uns auf Kampf oder Flucht vorzubereiten. Waren es früher der oft zitierte Säbelzahntiger und andere Wildtiere, die eine schnelle Reaktion erforderten, sind es heute die Erwartungs- und Leistungsansprüche einer rastlosen Lebens- und Arbeitswelt.
Angst ist also sinnvoll, solange sie nicht überhand nimmt. Angst kann jedoch zur Krankheit werden, wenn sie außer Kontrolle gerät. Sie verliert dann die nützliche Alarmfunktion. Übersteigerte Angstgefühle lähmen unsere Denk- und Handlungsfähigkeit und können das Lebensgefühl und damit die Lebensqualität in erheblichem Umfang beeinflussen.
Tritt die Angst zu stark, zu häufig oder der Situation nicht angemessen auf, spricht man von krankhafter Angst. Je nach Symptomen unterscheidet man verschiedene Angsterkrankungen.
Drei Komponenten der Angst treten nicht immer gleichzeitig und auch nicht gleich stark ausgeprägt auf.
Sie spielen jedoch alle eine wichtige Rolle bei der sogenannten "Spirale von Angst und Sorgen":
Bei einer Angsterkrankung sind die Ängste ausgeprägt, treten häufiger und länger auf und sind den Situationen in den meisten Fällen nicht angemessen. Monate andauernde innere Unruhe, Anspannung, Ängstlichkeit oder fortwährende Sorgen und Befürchtungen wegen alltäglicher Dinge können ebenfalls Zeichen einer Angsterkrankung sein.
Gefühle von Hilflosigkeit, Verzweiflung, Angst vor Kontrollverlust oder Schamgefühle führen meist dazu, dass die Betroffenen alle Situationen meiden, die Angst auslösen könnten. Das kann sogar so weit gehen, dass sie die Wohnung nicht mehr verlassen und sämtliche soziale Kontakte abbrechen.
Dieses Vermeidungsverhalten, oft ausgelöst durch die Angst vor der Angst, mag zwar zunächst ein Gefühl der Entlastung bringen. Doch dies ist trügerisch und nur kurzfristig wirksam. Langfristig gesehen verschlimmert es jede Angsterkrankung.
Menschen mit einer generalisierten Angststörung (frühere Bezeichnung: "Angstneurose") sind in einem andauerndernden ängstlich-angespannter Zustand. Sie haben zum Beispiel Furcht vor Katastrophen ohne besonderen erkennbaren Grund ("Meinem Kind oder Partner könnte etwas Schlimmes zustoßen!"). Oft ist die Ansgtstörung von Schlafstörungen begleitet.
Die Panikstörung ist gekennzeichnet von plötzlich auftretenden Episoden massiver, panikartiger Angstgefühle. Innerhalb weniger Minuten erreicht die Angst ihren Höhepunkt. Der Betroffene glaubt aufgrund der extremen körperlichen Reaktionen sterben zu müssen.
Herzklopfen, Schmerzen in der Brust, Erstickungsgefühle und Schwindelanfälle nehmen ein nicht gekanntes Ausmaß an. Die Panikattacke hält meist einige Minuten an, kann in einigen Fällen aber auch Stunden dauern.
Wenn es immer wieder zu unerwarteten, nicht durch äußere Umstände ausgelösten Panikattacken kommt, spricht man von einer Panikstörung.
Die"Agoraphobie" besteht vor allem aus der Angst, in eine Situation geraten zu können, aus der eine Flucht unmöglich scheint. Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln, Schlangestehen im Supermarkt, Theater- oder Kinobesuche oder Teil einer größeren Menschenmenge zu sein, sind Situationen, in denen sich der betroffene Mensch vollkommen überfordert, hilflos und ausgeliefert fühlt.
Eine der schlimmsten Befürchtungen ist es, in aller Öffentlichkeit die Kontrolle zu verlieren, in Ohnmacht zu fallen und hilflos zu sein. Dieses konsequente Meiden angstbesetzter Situationen kann zu einem vollständigen Rückzug in die eigene Wohnung und zu einem Abbruch aller sozialen Beziehungen führen.
Bei der sozialen Phobie haben die Betroffenen vor allem Angst davor, kritisiert oder lächerlich gemacht zu werden, sich zu blamieren oder im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Daher beziehen sich die Ängste auf alle Bereiche des Alltags, in denen man mit Menschen zusammenkommt: auf gesellschaftliche Anlässe wie Feste oder Unternehmungen mit Freunden, auf das Berufsleben (vor Kollegen telefonieren, mit Vorgesetzten oder Kollegen sprechen, gemeinsam in der Kantine essen) und auf den täglichen Kontakt in der Öffentlichkeit.
Zu den typischen Angstsymptomen kommen Befürchtungen, man könne sich in Gegenwart anderer blamieren, rot werden, ein Piepsstimmchen bekommen oder etwas sehr Peinliches tun. Der Kontakt mit anderen Menschen wird auf das Nötigste reduziert und da, wo er unausweichlich ist, als ungeheuer belastend empfunden.
Spinnen, Hunde, Schlangen oder auch Gewitter, Höhen oder enge Räume können bei Menschen, die an einer spezifischen Phobie leiden, übermäßig starke Angstreaktionen und Vermeidungsverhalten hervorrufen.
Eine spezifische Phobie ist immer auf konkrete Situationen, Gegenstände oder Objekte ausgerichtet. Es gibt Situationsphobien, wie z.B. die Angst vor tiefen Abgründen oder dem Schwimmen in tiefen Gewässern, die bekannten Tierphobien, Umweltphobien (z. B. die Angst vor Unwetter oder Umweltgiften) oder Blut-, Spritzen- und Infektionsphobien.
Das Wort Trypophobie leitet sich aus dem griechischen Wort trypa (Loch) und phobos (Furcht, Angst) ab.
Dahinter verbirgt sich die Angst vor einer Anhäufung unregelmäßig angeordneter Löcher, Risse, Beulen oder Dellen. Auch Ekel oder Juckreiz kann durch den Anblick angehäufter Löcher ausgelöst werden.
Bisher ist Trypophobie keine anerkannte medizinische Diagnose. Einige Forscher:innen vermuten, dass die Angst vor Löchern in unserer Evolution begründet ist. Die Anordnung und Struktur der Löcher ähneln oft denen von giftigen Tieren, wie Kugelfischen, Pfeilgiftfröschen, Schlangen und Spinnen.
Von der Selbsthilfe bis zu psychotherapeutischen und medikamentösen Verfahren stehen unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Welche Therapie im Einzelfall angewendet werden sollte, hängt u.a. von der Dauer und Ausprägung der Erkrankung und den Vorbehandlungen ab. Wichtg ist aber: Auch die besten Behandlungsmethoden werden nur dann wirklich anschlagen, wenn die Betroffenenen dabei mithelfen!
Wichtig ist auch: Suchen Sie sich frühzeitig Hilfe!
Sprechen Sie mit einem guten Freund oder einer Freundin und bitten Sie um Unterstützung – zum Beispiel bei der Suche nach einem geeigneten Psychotherapeut:innen. Warten Sie nicht damit. Je früher Sie mit einer Behandlung beginnen oder mit dem Besuch in einer Selbsthilfegruppe, desto einfacher ist es oft, die Erkrankung in den Griff zu bekommen.