Haushaltshilfe, Zuzahlungsbefreiung, Schwerbehindertenausweis und mehr: ein Überblick über Hilfen bei einer Krebserkrankung.
Unterstützung bei einer Krebserkrankung: Haushaltshilfe, Schwerbehindertenausweis, Zuzahlungsbefreiung und mehr: Die Fachberater:innen Margret Kunz, Regina Benzinger, Sylvia Mau-Löffler und Paul Rathjen geben einen Überblick über finanzielle Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten.
Eine Krebserkrankung stellt das ganze Leben auf den Kopf. Zu den schmerzhaften und körperlich anstrengenden Behandlungen und psychischen Belastungen kommen oft finanzielle Sorgen, verursacht durch Einkommensausfälle und höhere Kosten z.B. durch Zuzahlungen. Eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums zeigt, dass Krebspatienten mit durchschnittlich 26 bis 28 Prozent Einkommensverlusten schon innerhalb des ersten Jahres nach Diagnose zurechtkommen müssen.
#ÜberKrebsSprechen: Mit der Kampagne „Unaussprechlich? – Krebs im Arbeitsalltag“ rücken wir an Krebs erkrankte Beschäftigte und deren Angehörige in den Fokus. Wir klären über die Herausforderungen auf, die diese schwere Erkrankung im Hinblick auf die psychischen Belastungen, die Kommunikation sowie auf finanzielle und organisatorische Aspekte mit sich bringt.
Mit mehreren kostenfreien Webinaren, Podcasts und Info-Artikeln geben wir Betroffenen, Angehörigen, HR-Verantwortlichen und Führungskräften Orientierungshilfen und Unterstützung an die Hand, wie sie mit der Diagnose Krebs umgehen können, wo sie finanzielle Unterstützung finden mit ihrer Führungskraft und Kolleg:innen darüber sprechen können.
Alle Infos: www.familienservice.de/ueberkrebssprechen
Am Anfang einer Krebserkrankung erhalten berufstätigen Personen zunächst für sechs Wochen Lohnfortzahlung und anschließend Krankengeld von der Krankenversicherung. Krankengeld wird innerhalb von drei Jahren für längstens 78 Wochen bezahlt (die sechs Wochen Lohnfortzahlung sind hier eingerechnet), unabhängig davon, ob Sie zusätzlich einen Pflegegrad oder Schwerbehindertenausweis beantragen. Das Krankengeld beträgt 70 % des Bruttoeinkommens, allerdings nicht mehr als 90 Prozent des letzten Nettoeinkommens.
Der nächste Baustein ist die Erwerbsminderungsrente. Die Krankenversicherung kommt innerhalb des Bezugs von Krankengeld auf Sie zu mit der Frage, ob diese beantragt werden sollte. Die Erwerbsminderungsrente wird befristet bezahlt und kann nach einer Genesung wieder auslaufen.
Hinweis: Wichtig ist eine lückenlose Krankschreibung, für fehlende Tage bezahlt die Krankenkasse kein Krankengeld.
Krank sein ist teuer: Die Zuzahlungen zu den verschiedenen Medikamenten, Krankenhausaufenthalten, Transportkosten wie Taxifahrten, Physiotherapie und Lymphdrainage können schnell einen höheren dreistelligen Betrag ausmachen.
Grundsätzlich gilt bei Zuzahlungen: Sie müssen bei allen Leistungen zehn Prozent der Kosten selbst tragen – mindestens jedoch fünf Euro und höchstens zehn Euro. Liegen die Kosten unter fünf Euro, zahlen Sie den tatsächlichen Preis des Medikaments.
Es gibt allerdings eine Höchstgrenze. Diese liegt bei zwei Prozent des Bruttoeinkommens aller Haushaltsmitglieder. Ist diese individuell ermittelte Belastungsgrenze erreicht, werden Sie von der Zuzahlung befreit. Dafür ist ein Antrag erforderlich, die Befreiung wird nicht automatisch gewährt.
Nach einem Jahr Krebsbehandlung verringert sich die Zuzahlung auf ein Prozent – auch dafür ist ein Antrag bei der Krankenkasse erforderlich. Diese reduzierte Belastungsgrenze gilt auch, wenn die oder der Betroffene oder ein Haushaltsmitglied wegen einer chronischen Erkrankung länger als ein Jahr in ärztlicher Behandlung ist.
Hinweis: Nahrungsergänzungsmittel werden grundsätzlich nicht von den Krankenkassen bezahlt, auch wenn sie nach einer Krebserkrankung oft erforderlich sind, um das geschwächte Immunsystem zu regenerieren.
Die Zuzahlungen können Sie unter bestimmten Voraussetzungen als „außergewöhnliche Belastungen“ von der Steuer absetzen. Es empfiehlt sich, alle Belege aufzubewahren.
Auch wenn es mitunter mühsam ist: Bleiben Sie dran und sprechen Sie immer wieder mit ihrer Krankenkasse über mögliche Befreiungen. Meine persönliche Erfahrung ist, dass die Krankenkassen viel ermöglichen – aber man muss sich kümmern.
Regina Benzinger, Fachberaterin, pme Familienservice
Bei einer Krebserkrankung haben Sie gute Chancen, einen Schwerbehindertenausweis zu bekommen. Damit lassen sich die durch die Krankheit bedingten Nachteile zumindest teilweise ausgleichen. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn der erste Bescheid nicht Ihren Erwartungen entspricht, sondern nutzen Sie Ihr Widerspruchsrecht.
Bei einer seelischen, kognitiven oder körperlichen Erkrankung können Sie aufgrund Ihrer dadurch entstandenen Beeinträchtigungen beim zuständigen Versorgungsamt einen Antrag auf Schwerbehinderung stellen. Als Behinderung gilt eine Funktionseinschränkung ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 20. Schwerbehindert sind nach § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, bei denen ein GdB von wenigstens 50 festgestellt wurde.
Im Katalog der Versorgungsmedizinverordnung sind die häufigsten Erkrankungen gelistet und auch, welcher GdB je nach Schwere erreicht werden kann.
Den Antrag stellen Sie bei Ihrem zuständigen Versorgungsamt. Ausschlaggebend für die Anerkennung eines GdB sind Erkrankungen, die durch ärztliche Unterlagen wie Arztbriefe, Entlassbriefe aus dem Krankenhaus oder ärztliche Diagnosen belegt werden müssen. Fügen Sie dem Antrag Kopien dieser ärztlichen Nachweise bei. Sollten Sie diese nicht haben, holt sich das Versorgungsamt selbst die Nachweise ggf. bei den genannten Ärzten.
Sie können den Antrag bereits frühzeitig stellen (z. B. direkt nach einer Operation), aber auch später. Beachten Sie aber, dass sich das Antragsverfahren etliche Monate hinziehen kann. Wie in den meisten Fällen wird der Schwerbehindertenausweis auch bei einer Krebserkrankung zunächst befristet ausgestellt.
Mein Tipp: Hilfreich ist es, wenn Sie dem Antrag und den ärztlichen Unterlagen ein persönliches Anschreiben beifügen. Darin schildern Sie ausführlich, welche Beeinträchtigungen Sie im beruflichen, sozialen und privaten Umfeld haben.
Sylvia Mau-Löffler, Fachberaterin Homecare-Eldercare, pme Familienservice
Mit einem Schwerbehindertenausweis sind je nach GdB folgende Vergünstigungen möglich:
Im Schwerbehindertenausweis werden der Grad der Behinderung (GdB) und gegebenenfalls Merkzeichen (G, aG, B, BL, GL, RF, TBI) aufgeführt. Diese kennzeichnen Einschränkungen, die einen besonderen Hilfebedarf erforderlich machen und bringen Erleichterungen wie z. B. freie Taxifahrten zum Arzt beim Merkzeichen H (hilflos) oder freie Taxifahren zum Arzt plus Parkerleichterung beim Merkzeichen aG (außergewöhnlich gehbehindert).
Wer an Krebs erkrankt ist, erhält nicht allein wegen dieser Diagnose einen Pflegegrad, denn diese ist lediglich ein Hinweis auf mögliche Einschränkungen.
Voraussetzung für einen Pflegegrad ist, dass für mehr als sechs Monate ein personeller Unterstützungsbedarf zu erwarten ist. Wenn eine Person mittelfristig bei der Körperpflege und/oder bei der Mobilität Unterstützung braucht und eine Besserung des Gesundheitszustandes erwartet wird, kann ein Pflegegrad zeitlich begrenzt (z. B. für ein Jahr) zuerkannt werden. Nach dieser Dauer führt der Medizinische Dienst der Krankenkassen eine erneute Begutachtung durch.
Pflegegrad beantragen: Das sollten Sie wissen
Bei einer Krebserkrankung ist oft die Psyche stark beeinträchtigt, und es können beispielsweise Ängste und eine depressive Stimmungslage auftreten. Eine Anerkennung dieser Problemlagen kann ggf. zu Pflegegrad 1 führen, was eine Freistellung des Ehepartners und Hilfe im Haushalt ermöglicht.
Bei psychischen Belastungen in Zusammenhang mit einer Krebserkrankung ist eine psychoonkologische Begleitung oft eine große Hilfe. Empfehlenswerte Anlaufstellen sind die Deutsche Krebsgesellschaft und der Verein Lebensmut.
Margret Kunz, Fachberaterin Homecare-Eldercare
Wenn Sie wegen Ihrer Erkrankung oder deren Therapie (z.B. Chemotherapie) Ihren Haushalt nicht mehr selbstständig führen können, haben Sie Anspruch auf eine Haushaltshilfe, wenn mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
Mit Kind, dass das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, besteht ein Anspruch auf eine Haushaltshilfe bis zu 26 Wochen, ohne Kind bis zu vier Wochen. Gegebenenfalls ist eine Verlängerung möglich.
Die Haushaltshilfe kann auch die Betreuung von Kindern übernehmen, wenn dies notwendig ist. Sprechen Sie bei der Beantragung an, dass Sie Kinderbetreuung benötigen und erwähnen Sie dabei gegebenenfalls spezielle Bedürfnisse und Anforderungen.
Den Antrag auf eine Haushaltshilfe stellen Sie in der Regel bei der Krankenkasse. Dazu benötigen Sie ein ärztliches Attest, das die medizinische Notwendigkeit bescheinigt. Es empfiehlt sich, den Antrag so früh wie möglich zu stellen.
Die genauen Regelungen und Leistungen können je nach Krankenkasse variieren. Setzen Sie sich am besten direkt mit der zuständigen Krankenkasse in Verbindung, um detaillierte Informationen zu erhalten und den Antragsprozess zu klären. Unterstützen können zudem die Sozialdienst der Krankenhäuser oder verschiedene Beratungsstellen.
Paul Rathjen, Fachberater Homecare-Eldercare, pme Familienservice
Auch für Haushaltshilfen müssen gesetzlich Versicherte eine Zuzahlung leisten. In der Regel 10 Prozent der Kosten, jedoch mindestens 5 Euro und maximal 10 Euro pro Kalendertag. Wenn die Summe der Zuzahlungen eine bestimmte Obergrenze erreicht, ist eine Befreiung möglich.
Menschen mit geringem Einkommen können unter Umständen im Rahmen einer Härtefallregelung von Zuzahlungen befreit werden (Antrag bei der Krankenkasse erforderlich).
Bei chronischen Erkrankungen, zu denen auch bestimmte Krebserkrankungen gehören können, gibt es teilweise Sonderregelungen und die Zuzahlungspflicht kann reduziert oder aufgehoben werden.
In der privaten Krankenversicherung hängen die Leistungen vom individuellen Versicherungstarif und den Vertragsbedingungen ab. Es empfiehlt sich, die Versicherungsgesellschaft direkt zu kontaktieren. Fragen Sie:
Die Hilfe kann von verschiedenen Personen oder Organisationen erbracht werden, abhängig von den individuellen Bedürfnissen und der Verfügbarkeit.
Oft übernehmen Familienangehörige, Freunde oder Nachbarn die Hilfe. Achtung: Bei nahen Familienangehörigen übernimmt die Krankenkasse gegebenenfalls nur deren Verdienstausfall bzw. Reisekosten.
Zu den anerkannten Diensten, welche direkt mit den Krankenkassen abrechnen können, gehören meist ambulante Pflegedienste, aber auch Organisationen wie die Dienste der sogenannten Familienpflege. Erste Ansprechpartner sind immer auch lokale Sozialstationen, Wohlfahrtsverbände, Dorfhelfer:innen oder vergleichbare Organisationen.
Falls Sie weder einen anerkannten Dienst noch eine private Kraft finden, besteht meist die Möglichkeit, eine Einzelfallgenehmigung z.B. für gewerblich tätige Personen oder Betriebe (z.B. Reinigungsunternehmen, Alltagsbetreuer, Betreuungsagenturen) zu erhalten, wenn sich diese mit der Krankenkasse über eine Kostenübernahme einigen.
Wenn die finanziellen Mittel für eine Haushaltshilfe erschöpft sind oder der Antrag abgelehnt wird und im Haushalt Kinder leben, die aufgrund der Erkrankung eines Elternteils nicht ausreichend versorgt werden, können Sie beim Jugendamt einen Antrag auf "ambulante Familienpflege“ stellen.
Wer seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken kann, kann Bürgergeld beantragen (früher Arbeitslosengeld II – oder umgangssprachlich Hartz IV und/oder Sozialhilfe genannt).
Auch ein Antrag auf Wohngeld kann erfolgreich sein, wenn das Einkommen eingeschränkt ist. Sie können Wohngeld als Zuschuss zur Miete oder zu den Kosten selbst genutzten Wohneigentums bekommen. Wohngeld wird meist für den Zeitraum von einem Jahr bewilligt und muss dann erneut beantragt werden.
Der Härtefonds der Deutschen Krebshilfe hilft Krebspatienten und ihren Familien, die durch die Erkrankung in finanzielle Not geraten sind. Unter bestimmten Voraussetzungen
erhalten diese eine einmalige Zahlung, über die sie frei verfügen können. Das Geld muss nicht zurückgezahlt werden.
Informationen und Antragsformular
Die Krankenkassen übernehmen nicht alle Kosten, die für die Behandlung einer Krebserkrankung anfallen. Hier gibt es noch die Möglichkeit, diese Kosten (zumindest teilweise) von der Steuer abzusetzen. Das betrifft unter anderem Kosten für ambulante Behandlungen wie Krankengymnastik, Fahrtkosten zu Behandlungen, Ausgaben für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel. Auch die gesetzlichen Zuzahlungen können Sie als außergewöhnliche Belastungen geltend machen.
Wichtig dabei: Die Heilbehandlungen müssen angeordnet worden sein und es ist ein ärztliches Attest erforderlich. Sinnvoll ist es, die Rechnungen zuerst bei der Krankenkasse einzureichen - nur wenn diese die Kosten nicht übernimmt, reichen Sie diese mit dem Vermerk "Keine Kostenübernahme" beim Finanzamt ein.
Verbraucherzentrale: Haushaltshilfe