Interview: Es ist wichtig, dass über Gewichtsdiskriminierung gesprochen wird

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„Wir müssen über Gewichtsdiskriminierung sprechen“

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Asset-Herausgeber

09.07.2019
Christin Müller
2262

Natalie Rosenke von der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung macht sich seit Jahren für die Rechte von Übergewichtigen stark und gilt somit als eine der einflussreichsten Expertinnen für Antidiskriminierung, Fat Rights und Körper-Diskurse. Im Interview erzählt sie uns, warum es wichtig ist, gegen die Diskriminierung von Übergewichtigen vorzugehen.

1. Liebe Frau Rosenke, wie sind Sie dazu gekommen, die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung zu gründen?

Den Impuls dazu gab ein USA-Aufenthalt meiner Kollegin Stephanie von Liebenstein. Während ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit für ein feministisch-linkes Veranstaltungszentrum in New York stieß sie dort auf ein ganzes Regal voller Bücher zum Thema Fat Acceptance. In Deutschland brachte zu dieser Zeit niemand die Situation dicker Menschen mit Begriffen wie Stigmatisierung und Diskriminierung in Verbindung. Fest entschlossen, das zu ändern, gründete sie nach ihrer Rückkehr 2005 den Antidiskriminierungsverband.

 

2. Haben Sie in der Vergangenheit selber Vorurteile bezügliches Ihres Körpergewichts erfahren oder Geschichten von anderen Menschen erfahren?

Sätze wie „Mit diesem Körper kannst Du unmöglich …“ sind eine der häufigsten Parallelen in den Biographien dicker Menschen. Sie finden sich auch in meiner und zeigen, wie sehr der dicke Körper als minderwertig betrachtet wird. Träume wie ein Flug zum Mond oder der Ritt auf einem Einhorn machen bei dicken Kindern daher schnell einem einzigen großen Traum Platz, dem Traum „normal“ zu sein. Was in unserer Gesellschaft dünn meint. Damit sind sie beim Start ins Leben doppelt benachteiligt: Einmal durch die Vorurteile, denen sie sich gegenüber sehen, und gleichzeitig durch das geringe Selbstwertgefühl, das ihnen mitgegeben wird. Dicke Menschen nutzen daher oft nicht oder erst sehr spät ihr volles Potential.

 

3. Warum denken Sie, ist es wichtig, über die Diskriminierung zu reden?

In der Gesellschaft wie in der Politik ist das Bewusstsein für Gewichtsdiskriminierung sehr gering. Nicht die Diskriminierung sondern das Dicksein wird als das Problem betrachtet, weshalb die Anpassung des eigenen Körpers an die gesellschaftlich akzeptiert Form ein gängiger Lösungsvorschlag ist. Das ist ein Schlag ins Gesicht für die Betroffenen, denn derartige Ratschläge weisen ihnen die Schuld für die erfahrene Diskriminierung zu und übertragen ihnen zusätzlich die Aufgabe der Prävention. Die Täterinnen und Täter bleiben somit sanktionsfrei und es erfolgt keine Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen. Genau die braucht es aber, um hier etwas zu ändern, deshalb ist es wichtig, dass über Gewichtsdiskriminierung gesprochen wird.

 

4. Warum ist jetzt eine guter Zeitpunkt, um Gewichtsdiskriminierung im Kontext von Arbeit zu thematisieren?

Unsere Arbeitswelt ist im Wandel und die Lösungen für die Zukunft sind noch nicht gefunden. Gleichzeitig herrscht Fachkräftemangel. Die eigenen Vorurteile können kostbare Arbeitskräfte kosten. Ob Politik oder Arbeitgeberschaft: Wer jetzt nicht genau zuhört, wird vielleicht morgen selbst einen neuen Arbeitsplatz suchen. Das ist vielen inzwischen bewusst. Es gibt daher eine Reihe von Dialogangeboten, wo an bestehende Themen angeknüpft werden kann. Lohngerechtigkeit ist ein gutes Beispiel. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss ausnahmslos gelten und damit eine abweichende Bezahlung anhand des Gewichts (Weight Pay Gap) genauso unzulässig sein wie die anhand des Geschlechts (Gender Pay Gap).
 

5. Denken Sie, dass der pme Familienservice mit seiner Kampagne „Dick im Geschäft“ eine wichtiges Thema anspricht?

Die Ansprache ist das eine, wichtig finde ich vor allem, dass die Kampagne den Blick zurechtrückt. Bei der Auswahl des eigenen Personals muss die berufliche Qualifikation im Mittelpunkt stehen. Viel zu oft wird vom äußeren Erscheinungsbild auf die Qualifikation geschlossen, so dass die eigenen Vorurteile zum Ausschlusskriterium werden und nicht etwa eine fehlende Qualifikation. Das betrifft dicke Frauen in besonders hohem Maße. In einer Studie der Universität Tübingen trauten von 127 befragen Personalentscheidern 98 Prozent dicken Frauen keine prestigeträchtigen Berufe wie Ärztin oder Architektin zu. Erfreulicher Weise ist der tatsächliche Anteil übrigens fast achtmal so hoch.

Quelle:https://uni-tuebingen.de/fileadmin/Uni_Tuebingen/Fakultaeten/WiSo/Dokumente/Adipositas_und_Beruf-1.pdf

 

Natalie Rosenke Bühne
 

Über Natalie Rosenke

Natalie Rosenke, geboren 1977, ist Kolumnistin beim SZ Magazin und freiberufliche Künstlerin. Seit Herbst 2013 ist sie Vorsitzende der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung und gefragte Expertin zu den Themen Antidiskriminierung von Übergewichtigen, Fat Rights und Wandel des Körper-Diskurses. Sie gehörte der Fachrunde an, mit der die Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2016 die Ergebnisse und Empfehlungen der Studie „Diskriminierungserfahrungen in Deutschland“ diskutierte und ist eine der Autorinnen des Fachbuches „Fat Studies in Deutschland – Hohes Körpergewicht zwischen Diskriminierung und Anerkennung“, das 2017 erschienen ist.

 

Weitere Informationen gibt es unter:

Homepage: www.familienservice.de/dickimgeschaeft
Facebook (pme Familienservice): www.facebook.de/familienservice
Facebook (Familienservice Lernwelten): www.facebook.de/familienservicelernwelten
Instagram: www.instagram.com/pme_familienservice
 

Du möchtest dich beim pme Familienservice bewerben? Alle Stellenangebote findest du direkt unter: www.familienservice.de/karriere.

 

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