
pme spendet: Bücherpiraten e.V. aus Lübeck
Der gemeinnützige Verein Bücherpiraten begeistert Kinder und Jugendliche für das Erzählen, Lesen und Gestalten von Geschichten. Bei dem Projekt „1001 Sprache“ können junge Kreative ihre eigenen Bücher veröffentlichen, die von Ehrenamtlichen ihn unzählige Sprachen übersetzt werden. Mitgründerin und Geschäftsführerin der Bücherpiraten Lenara Sanders und Projektverantwortliche Christina Sturm engagieren sich mit Herzblut für dieses einzigartige Projekt. Im Interview erzählen sie, was sie antreibt, Geschichten mit Kindern und für Kinder zu erzählen.
"Die ersten Vorleseerfahrungen prägen den Weg von Kindern zu Lese- und Sprachkompetenz und zu Bildung."
Wie funktioniert das Konzept “1001 Sprache”?
Wir wollen, dass Kinder Bilderbücher in ihrer vertrauten Sprache finden. Deswegen haben wir mit „1001 Sprache“ eine Datenbank an kostenlosen Bilderbüchern gegründet, die von Lesefördernden und Lesenden aus aller Welt genutzt werden kann.
Auf der Website bilingual-picturebooks.org veröffentlichen wir zweisprachige Bilderbücher, die von Kindern für Kinder geschrieben und illustriert wurden. Ein Netzwerk aus mehr als 200 freiwilligen Übersetzer:innen übersetzt die Geschichten in momentan über 80 Sprachen. So viele Geschichten wie möglich werden auch als Hörbuch eingesprochen. Dann können sich Familien und Lesefördernde weltweit die Bilderbücher kostenlos in ihrer Wunsch-Sprachkombination herunterladen.
Uns ist wichtig, dass die Website einen Raum für die Vorstellungen, Wünsche und Hoffnungen von Kindern bietet. Deswegen veröffentlichen wir nur Bücher, die von Kindern oder Jugendlichen gemeinschaftlich ausgedacht, erzählt, geschrieben und illustriert wurden. Die Gruppen können gemeinsam an ihren Ideen arbeiten, sie bekommen eine Plattform und werden gehört.
Wir bieten auch Seminare und Workshops an, um Pädagog:innen bei diesem Prozess zu unterstützen. Sobald ein Buch online ist, kann es digital gelesen oder als Buch ausgedruckt werden. Und oft geht die Reise dann noch weiter: Es entstehen mehrsprachige Lesungen oder Hörspielprojekte rund um die Geschichten.
Wie entstand die Idee zu “1001 Sprache”, und was war der Auslöser für dieses besondere Projekt?
Auf einem internationalen Leseförderkongress kamen wir mit Lesefördernden aus aller Welt über das Thema des ersten Kontakts zum Buch ins Gespräch. Die ersten Vorleseerfahrungen prägen den Weg von Kindern zu Lese- und Sprachkompetenz und zu Bildung. Dieser Einstieg in die Welt von Geschichten sollte immer in einer vertrauten Sprache stattfinden, darin sind sich Lesefördernde einig. Nur so kann eine Familie gemeinsam in eine Geschichte eintauchen und das Medium Buch mit Sicherheit und Freude verbunden werden.
Leider wurde uns auf dem Kongress klar, dass Lesefördernde aus aller Welt vor einem ähnlichen Problem stehen: Es gibt viel zu wenig mehrsprachige Bilderbücher. Das betrifft vor allem Kinder, deren Familien in ein anderes Land gezogen oder geflüchtet sind, oder Kinder, die eine Minderheitssprache, eine aussterbende Sprache oder einen Dialekt sprechen.
Oft werden in einem Land oder einer Region viele Sprachen gesprochen, Bücher gibt es aber nur in einer dominierenden Sprache wie Englisch, Französisch oder Deutsch. Nach dem Austausch auf dem Leseförderkongress war uns klar, dass wir mehr zweisprachige Bücher brauchen. Dafür haben wir eine gemeinnützige Lösung gesucht, mit der der Weg zum Buch in der eigenen Sprachkombination, auch wenn es eine ungewöhnliche Sprachkombination ist, ganz einfach ist.
Die Kinder halten ihr eigenes Buch in den Händen. Foto: Bücherpiraten e.V.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Umsetzung?
In unseren Multiplikator:innen-Seminaren stoßen wir bei Pädagog:innen oft auf große Begeisterung für das Projekt. Trotzdem ist der Schritt von der Teilnahme an einem Seminar zur Umsetzung oft schwer. Das hat viele Gründe: Ein Bilderbuch-Workshop braucht Zeit und Raum, den es im Alltag nicht immer gibt. Einen partizipativen Prozess zu leiten, in dem die Ideen der Kinder gemeinsam eine Geschichte gestalten, ist herausfordernd.
Dabei sind genau diese Werkstätten das Herzstück von „1001 Sprache“. Immer wieder erleben wir, wie nachhaltig der gesamte Entstehungsprozess auf die beteiligten Kinder wirkt – von der ersten Idee, der gemeinsamen Umsetzung, der Veröffentlichung, bis zur Übersetzung und mehrsprachigen Präsentation. Kinder üben sich darin, als Gruppe Entscheidungen zu treffen, erfahren Selbstwirksamkeit und erleben ihre Mehrsprachigkeit als Stärke.
Um Pädagog:innen die Umsetzung zu erleichtern, haben wir deswegen im letzten Jahr verschiedene Unterstützungsangebote entwickelt. Wir haben ein Praxis-Handbuch herausgebracht und ein individuelles Beratungsangebot geschaffen. Gerade Letzteres war sehr erfolgreich, um Pädagog:innen bei ihrer Umsetzung eines Bilderbuch-Workshops Schritt für Schritt zu begleiten. Die individuelle Beratung ist für uns aber mit viel Aufwand und Kosten verbunden, deswegen können wir sie nur durch Förderungen anbieten.
Sie haben im vergangenen Jahr eine Spendensumme über 10.000 Euro von pme erhalten. Welche Aktionen konnten Sie dadurch bereits umsetzen oder möchten Sie demnächst damit umsetzen?
In den letzten Monaten sind gleich mehrere Bilderbücher in Kitas entstanden. Und das nur, weil wir viel Zeit und Ressourcen in das Beratungsangebot stecken konnten. In unseren Seminaren haben wir oft Zweifel gehört, ob man Bilderbücher in Kitas überhaupt erstellen kann. Die Kinder können ja selbst noch nicht lesen und schreiben.
Die drei Bilderbücher sind ein wunderbarer Beweis, dass das geht. Wir haben bei jedem Schritt beraten und freuen uns jetzt sehr, dass es geklappt hat. Es sind sehr schöne Bilderbücher entstanden, die auch schon in viele Sprachen übersetzt wurden.
Am begeistertsten haben die Erzieher:innen von den Buchpräsentationen erzählt: Dieser Moment, wenn die Gruppen merken, dass sie tatsächlich ein ganzes Buch gemacht haben.
Welche Rückmeldungen von Kindern, Familien oder Pädagog:innen haben Sie besonders berührt?
Wir erhalten viele positive Rückmeldungen, vor allem von Eltern mehrsprachiger Kinder und Lesefördernden. Eine besonders schöne erhielten wir nach einem unserer letzten Bilderbuch-Workshops von der Mutter eines Teilnehmers. Sie erzählte, dass sie das fertige, übersetzte Buch in den Sprachen heruntergeladen und ausgedruckt haben, die in ihrer Familie gesprochen werden: Spanisch, Ungarisch und Deutsch.
Das Schönste daran war für uns, dass sie meinte, ihr Sohn, der davor nie gerne gelesen hatte, greife nun immer wieder zu seinem eigenen Buch – und möchte es anderen vorlesen. Er liest es seiner kleinen Schwester auf Deutsch und Spanisch vor, und mit seinen Großeltern schaut er sich das Buch auf Ungarisch an. Solche Geschichten zeigen wunderbar, warum wir dieses Projekt machen. Dass Kinder sich als Autor:innen erleben, dass sie mit ihrer Mehrsprachigkeit in der Familie Brücken bauen können – genau das soll durch „1001 Sprache“ möglich werden.
Die Geschichten entstehen in Gemeinschaftsarbeit. Foto: Bücherpiraten e.V.
Wie sehen Ihre langfristigen Ziele für das Projekt aus?
Neben unserem weltweiten Netzwerk an Übersetzerinnen möchten wir langfristig auch ein aktives Netzwerk von Pädagog:innen aufbauen, die Bilderbuch-Workshops mit Kindern und Jugendlichen durchführen. So können sich Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen austauschen und voneinander lernen, und wir können gemeinsam neue Workshop-Ideen weiterentwickeln.
Dafür wollen wir unsere Unterstützung für Pädagog:innen noch weiter ausbauen, durch unsere individuelle Beratung und Begleitung – zum Beispiel zu unterschiedlichen Altersgruppen oder zum Einbeziehen diverser Sprachhintergründe – und durch regelmäßige Multiplikator:innen-Seminare online und in Präsenz. Unser Ziel sind möglichst vielfältige Geschichten, die an unterschiedlichen Orten von unterschiedlichen Gruppen ausgedacht, geschrieben und illustriert werden.
Wie können interessierte Personen oder Organisationen Sie unterstützen – sei es durch Spenden, ehrenamtliche Arbeit oder andere Formen der Hilfe?
Es gibt viele Möglichkeiten, „1001 Sprache“ zu unterstützen – und wir freuen uns über jede Form der Beteiligung! Um die Bilderbücher unserer Website weiterhin kostenlos anzubieten, haben wir eine Kampagne auf Patreon gestartet. Wir freuen uns sehr über alle, die uns dort mit einem monatlichen Beitrag unterstützen.
Alle, die mit Kinder- oder Jugendgruppen arbeiten, sind herzlich eingeladen, ihre eigene Bilderbuchwerkstatt zu organisieren. Wir versuchen, so viel Hilfestellung wie möglich zu bieten und unsere Methoden und Erfahrungen weiterzugeben, um so eine kreative Werkstatt auf die Beine zu stellen.
Ein ganz wichtiger Beitrag kommt außerdem von unseren ehrenamtlichen Übersetzer:innen und Korrektor:innen, die dabei helfen, die Geschichten in möglichst vielen Sprachen zugänglich zu machen. Wer hier mitmachen möchte, findet alle Infos auf unserer Website – oder kann uns einfach eine kurze Mail schreiben.
Natürlich freuen wir uns ganz allgemein, wenn die Bücher unserer Website genutzt und verbreitet werden und damit Leseförderprojekte, mehrsprachige Lesungen, Filme, Theaterstücke und vieles mehr entstehen kann.
Soziales Engagement des pme Familienservice
Seit vier Jahren gibt es die Spendenaktion „pme spendet“, bei der die pme-Teammitglieder die Möglichkeit haben, gemeinnützige Vereine aus den Bereichen „Internationale Entwicklungshilfe“, „Soziale Arbeit“, „Klima- und Tierschutz“ und „Kultur“ für eine Spende vorzuschlagen, die sie aktiv unterstützen. Alle Teammitglieder stimmen anschließend für die Organisationen, die sie fördern wollen. Die Vereine mit den meisten Stimmen erhalten eine Spende vom pme Familienservice. 2024 wurden sechs nationale und internationale Organisationen mit insgesamt 50.000 Euro Spendengeldern bedacht.