Beauty-Influencerin lächelt in Kamera
Body & Soul

Cortisol Detox: Gefährlicher Social Media-Trend?

Bauchfett, müde Haut, Haarausfall? Die Ursache soll ein einziges Hormon sein: Cortisol. Auf TikTok propagieren Influencer eine sogenannte „Cortisol-Detox“-Kur, die das Stresshormon senken und über Nacht für mehr Schönheit und Wohlbefinden sorgen soll. Klingt verlockend. Doch was steckt wirklich dahinter? Ist „Cortisol-Detox“ der Schlüssel zu einem gesünderen, stressfreieren Leben oder nur ein weiterer fragwürdiger Internet-Hype? (Text: Michèle Penz/Felix Aguntius, Redaktion: Christin Müller)

Ein Social Media Trend mit Fragezeichen

Die Idee hinter dem viralen TikTok-Trend: Ein zu hoher Cortisolspiegel soll körperliche Beschwerden wie Gewichtszunahme, Haarausfall, Müdigkeit und Hautprobleme verursachen. Influencer empfehlen Detox-Kuren mit Diäten, Nahrungsergänzungsmitteln und Entspannungstechniken, um das Hormon zu „entgiften“ und das körperliche Wohlbefinden zu steigern.

Medizinische Fachleute sehen den Trend jedoch kritisch: Zwar könne ein zu hoher Cortisol-Spiegel, beispielsweise in Folge von chronischem Stress gesundheitsschädlich sein, doch ist Cortisol ein lebenswichtiges Hormon, das zahlreiche Körperfunktionen reguliert. Ein pauschales „Entgiften“ sei daher nicht nur überflüssig, sondern potenziell irreführend.

Was ist Cortisol – und warum brauchen wir es?

Cortisol ist ein lebenswichtiges Hormon, das in der Nebennierenrinde produziert wird. Es spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung von Stoffwechselprozessen, der Immunreaktion und der Stressbewältigung. 

Cortisol wird oft als „Stresshormon“ bezeichnet, weil es in Reaktion auf Stresssituationen ausgeschüttet wird. Es hilft dem Körper, Energie bereitzustellen, indem es den Blutzuckerspiegel erhöht und die Energieproduktion in den Zellen anregt, Entzündungen zu regulieren und den Stoffwechsel sowie den Schlaf-Wach-Rhythmus zu steuern.

Wozu ist Cortisol gut?

Stressreaktion: Wenn unser Körper aufgrund von Stressoren über die initiale „Fight or Flight“-Reaktion leistungsfähig und alarmbereit sein muss, nutzt unser Gehirn die Ausschüttung von Cortisol.

Stoffwechselregulation: Cortisol beeinflusst den Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel, um sicherzustellen, dass genügend Energie zur Verfügung steht.

Immunsystem: In moderaten Mengen wirkt Cortisol entzündungshemmend und hilft, das Immunsystem zu regulieren.

Regulation unseres Schlaf-Wach-Rhythmus: Cortisol ist der Gegenspieler des schlaffördernden Hormons Melatonin. Unser Cortisolspiegel steigt innerhalb der Morgenstunden auf natürlichem Wege an, damit wir wach und leistungsfähig sind.

 

Wie verhält sich Cortisol im Verlauf des Tages?

Der Cortisolspiegel unterliegt natürlichen Schwankungen, die durch unseren Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflusst werden.
Morgens, kurz nach dem Aufwachen, ist der Cortisolspiegel am höchsten, um den Körper auf den Tag vorzubereiten. Im Laufe des Tages sinkt der Spiegel und erreicht in der Nacht seinen niedrigsten Punkt. 

Die Referenzwerte liegen bei Erwachsenen zwischen 133–537 nmol/l in der Morgenblutentnahme (7 bis 10 Uhr) und 68-327 nmol/l in der Abendblutentnahme (16 – 20 Uhr).
 
Tipp: Liegt Ihr Cortisolwert über oder unter dem Normbereich, lassen Sie sich davon nicht verunsichern. Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt darüber, denn einzelne Laborwerte sind häufig nicht aussagekräftig, da sie als Momentaufnahme verstanden werden. Stattdessen sollten diese im Zusammenhang mit anderen Werten und im zeitlichen Verlauf beurteilt werden.

Wenn das körpereigene Cortisol zu hoch oder zu niedrig ist

Stressfaktoren, wie körperliche Anstrengung oder emotionale Belastungen, können zu kurzfristigen Erhöhungen des Cortisolspiegels führen. In der Regel normalisiert sich der Cortisolspiegel nach einem Anstieg wieder von selbst. 

In sehr seltenen Fällen - bei einer zugrundeliegende Erkrankung -  kann der Körper zu viel körpereigenes Cortisol produzieren. 

Der Cortsolspiegel ist zu hoch

Ein dauerhafter hoher Cortisolspiegel (Hypercortisolismus) wird als Cushing-Syndrom bezeichnet. Häufige Symptome eines Cushing-Syndroms sind:

  • Gewichtszunahmen an dünnen Extremitäten
  • Symptomatik eines „Mondgesichts“ (Moon Face)
  • Narbenähnliche Streifen in der Haut (Striae)
  • Akne
  • Diabetes
  • Zyklusstörungen und vermehrter Haarwuchs bei Frauen​​​​​​​

Der Cortisolspiegel ist zu niedrig

Jedoch kann nicht nur erhöhtes Cortisol zu negativen Symptomen für unseren Körper führen. Ist unser Cortisolspiegel zu niedrig kann das lebensbedrohliche Auswirkungen haben:

  • Leistungsabfall, Müdigkeit.
  • Schwächegefühl.
  • Übelkeit und Erbrechen.
  • Niedriger Blutdruck.

Das Ziel sollte es also nicht sein, den eigenen Cortisolspiegel auf ein Minimum zu senken, sondern eine gesunde Balance zu schaffen.

Cortisol-Detox in Social Media: Was steckt hinter den Methoden?

Wir haben vier besonders populäre Methoden sowie drei verbreitete Mythen einem Realitätscheck unterzogen:

1. Nahrungsergänzungsmittel und Detox-Drinks

Was behauptet wird: Supplements wie Ashwagandha, Magnesium, Maca oder sogenannte Adaptogene sollen helfen, Cortisol zu regulieren und Stress abzubauen. Oft werden sie in Verbindung mit Detox-Drinks vermarktet, die den Körper „reinigen“ und das Wohlbefinden steigern sollen.

Warum das problematisch ist: Zwar gibt es einzelne Studien zu bestimmten Wirkstoffen, die unter spezifischen Bedingungen Effekte zeigen – jedoch nicht in dem universellen Umfang, wie es auf Social Media suggeriert wird. Dosierungen sind häufig nicht standardisiert, und viele Produkte sind weder zugelassen noch ausreichend erforscht. 

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, 2024) rät etwa explizit von der Einnahme von Ashwagandha ab, da die Wirkung nicht belegt und potenzielle Nebenwirkungen unklar sind. Ähnliches gilt für andere beworbene Mittel wie Inositol oder Phosphatidylserin. 

Diese ersetzen keinesfalls eine medizinisch fundierte Therapie bei tatsächlichen hormonellen oder psychischen Erkrankungen. 

Zudem ist der Begriff „Detox“ irreführend – der Körper entgiftet sich durch Leber und Nieren ganz ohne zusätzliche Hilfe.

2. Cortisol-senkende Diäten

Was behauptet wird: „Clean Eating“, Low-Carb oder entzündungshemmende Ernährung sollen den Cortisolspiegel stabilisieren und Symptome wie Gewichtszunahme oder Erschöpfung reduzieren.

Warum das fragwürdig ist: Eine ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung kann natürlich das Wohlbefinden fördern. Doch eine spezielle „Cortisol-Diät“ existiert wissenschaftlich nicht. 

Extreme Diäten, wie sie auf Social Media oft angepriesen werden, können den Körper zusätzlich belasten und selbst zu einem Stressfaktor werden – mit gegenteiligem Effekt.

3. Morgenroutinen und „Stress-Detox“-Pläne

Was behauptet wird: Bestimmte Tagesabläufe – etwa frühes Aufstehen, kalte Duschen, Atemtechniken und Journaling – sollen helfen, Cortisol zu senken und innere Ruhe zu finden.

Warum das nicht pauschal funktioniert: Stressbewältigung durch Routinen, Bewegung oder Achtsamkeit kann hilfreich sein. Dass jeder Mensch durch dieselbe TikTok-Morgenroutine gleich gesünder und entspannter wird, ist illusorisch. 

Wer sich unter Druck setzt, täglich perfekt „entspannt“ zu sein, erzeugt schnell das Gegenteil: mehr Stress.

4. Verzicht auf Koffein und "Digital Detox"

Was behauptet wird: Smartphones, Social Media und Koffein seien Stressverstärker – ihr Verzicht soll den Cortisolspiegel senken.

Warum das nicht falsch, aber übertrieben ist: Ein bewusster Umgang mit digitalen Medien und Reizen ist absolut sinnvoll, ebenso wie moderater Koffeinkonsum. 

Aber ein pauschaler Verzicht bringt nicht automatisch hormonelle Entlastung – es kommt auf das individuelle Maß und die persönliche Stressresilienz an.

Drei häufige Fehleinschätzungen über Cortisol

Cortisol = schlecht? Ganz so einfach ist es nicht.

Oft wird Cortisol ausschließlich als „negatives Stresshormon“ dargestellt. Dabei ist es lebenswichtig: Es reguliert den Stoffwechsel, unterstützt die Immunabwehr und hilft dem Körper, mit Belastung umzugehen. Nicht „so wenig wie möglich“, sondern ein gesunder Cortisolrhythmus ist entscheidend.

Selbstdiagnosen durch Speichel- oder Urintests

Viele Detox-Influencer bewerben Selbsttests zur Messung des Cortisolspiegels. Doch diese Tests sind ungenau, da der Cortisolwert stark schwankt – je nach Tageszeit, Ernährung, Bewegung oder emotionalem Zustand. Eine seriöse Diagnostik gehört in die Hände von Fachärzt:innen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) rät von Hormon-Selbsttests ab, weil sie darüber hinaus oft fehlinterpretiert werden und ohne ärztliche Begleitung zu falschen Schlüssen führen können. 

Körperliche Veränderungen allein durch Stress?

Veränderungen wie ein „Moonface“ (aufgequollenes Gesicht), starker Haarverlust oder Gewichtszunahme werden häufig allein mit hohem Cortisol erklärt. In Wahrheit deuten solche Symptome oft auf ernsthafte hormonelle oder metabolische Erkrankungen hin – und gehören medizinisch abgeklärt.

Cortisol und das PCO-Syndrom

Auf TikTok wird oft das Polycystische Ovarialsyndrom (PCA-Syndrom) im Kontext von Cortisol genannt. Das PCO zählt mit 5 bis 10 Prozent zu den häufigsten Hormonstörungen bei Frauen.

Die Symptome des POC-Symptoms sollen sich durch die Reduktion von Cortisol bessern. Ausgelöst wird das Syndrom über eine vermehrte Produktion männlicher Hormone im Blut (Hyperandrgenämie). Dies kann zu einer erhöhten Insulinresistenz und dadurch gesteigerten Insulinproduktion führen. Höhere Level an Insulin können die Produktion von Cortisol steigern. 

Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass eine Cortisolminderung die Auswirkungen des Syndroms hemmt. Zwar können Stress und Cortisol Einfluss auf den Hormonhaushalt nehmen – jedoch ist PCOS eine komplexe hormonelle Störung.

Das PCO-Syndrom muss durch eine Reihe von klinischen Tests diagnostiziert werden. Die Symptome des PCO-Syndroms ähneln sich in einigen Punkten dem Cushing Syndrom, gehen jedoch mit der Bildung von polycystischen Ovarien (gutartige kleine Follikel am Eierstock) darüber hinaus. Die Behandlung zielt auf eine ganzheitliche Stabilisierung des Hormonhaushalts ab. Der reine Fokus auf Cortisol wird daher dem Krankheitsbild nicht gerecht.

Sollten Sie den Verdacht haben an einem erhöhten Cortisolspiegel, oder dem PCO-Syndrom zu leiden, klären Sie die Symptome ärztlich ab.

Cortisol und Gewichtsverlust: Mythos oder Realität?

Ein häufiges Versprechen, das von Influencern in den sozialen Medien gemacht wird, ist, dass eine Senkung des Cortisolspiegels zu einem sofortigen Gewichtsverlust führt. 

Diese Verbindung ist jedoch nicht so einfach, wie sie oft dargestellt wird. Während ein chronisch erhöhter Cortisolspiegel in bestimmten Fällen mit einer Gewichtszunahme, insbesondere im Bauchbereich, in Verbindung gebracht wird, ist die Realität komplexer. Gewichtszunahme kann durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden, darunter Ernährung, 

Bewegungsmangel, genetische Veranlagung und hormonelle Ungleichgewichte. Die Vorstellung, dass allein die Senkung von Cortisol zu einem signifikanten Gewichtsverlust führt, ist irreführend und kann dazu führen, dass Menschen sich auf fragwürdige Detox-Methoden verlassen, anstatt einen ganzheitlichen Ansatz zur Gewichtsreduktion zu verfolgen.

Ernährungsberaterin Giannina Schmelling: 

"Cortisol und Gewichtsveränderungen hängen tatsächlich zusammen. Doch Abnehmen ist komplexer, als es der Trend „Cortisol Detox“ suggeriert. Viele nehmen zu, weil sie ständig Diäten halten und dadurch der Grundumsatz sinkt, sie zwischen Verbot und Heißhunger schwanken, Bewegung fehlt oder weil Essen zur Emotionsregulation geworden ist. Man isst nicht aus körperlichem Hunger, sondern aus Langeweile, Einsamkeit, Geselligkeit oder weil man glaubt, den Teller immer leer essen zu müssen."

7 Maßnahmen gegen zu viel Cortisol

Die Endokrinologin Dr. Dr. Birgit Harbeck, ​​​​​​​Mediensprecherin der DGE, betonte im Vorfeld des Deutschen Kongresses für Endokrinologie, dass eine „Cortisol-Entgiftung“ nicht nur überflüssig, sondern auch unmöglich ist. Der Körper reguliere den Cortisolspiegel selbstständig, und eine bewusste Entgiftung ist schlichtweg nicht notwendig. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, gesunde Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln.

Folgende Strategien hilfreich sein, um aktiv mit Stress umzugehen und das eigene Wohlbefinden zu fördern:

Regelmäßige Bewegung: Integrieren Sie Bewegung in Ihren Alltag – sei es durch Spaziergänge, Yoga oder Sport. Jede Form von Bewegung hilft, Stress abzubauen. Sie fördert außerdem die Produktion von Endorphinen, die für gute Laune sorgen.

Achtsamkeit und Meditation: Achtsamkeitsübungen und Meditation können helfen, den Geist zu beruhigen und Stress abzubauen. Nehmen Sie sich täglich ein paar Minuten Zeit, um zu atmen und im Hier und Jetzt zu sein.

Gesunde Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten ist. Diese Nährstoffe unterstützen nicht nur den Körper, sondern auch die mentale Gesundheit.

Guter Schlaf: Sorgen Sie für ausreichend Schlaf und eine regelmäßige Schlafroutine. Ein erholsamer Schlaf ist entscheidend für die Stressbewältigung und das allgemeine Wohlbefinden.

Soziale Kontakte pflegen: Verbringen Sie Zeit mit Familie und Freunden. Soziale Unterstützung ist ein wichtiger Faktor, um Stress zu reduzieren und das emotionale Wohlbefinden zu stärken.

Entspannungstechniken: Probieren Sie verschiedene Entspannungstechniken aus, wie zum Beispiel progressive Muskelentspannung, Atemübungen oder kreative Aktivitäten wie Malen oder Musizieren.

Stressbewältigungsstrategien entwickeln: Finden Sie heraus, welche Aktivitäten Ihnen helfen, Stress abzubauen. Das kann Lesen, Gartenarbeit oder einfach nur ein gutes Gespräch sein. Wichtig ist, dass Sie sich Zeit für sich selbst nehmen.

Fazit: Gesunder Lebensstil statt Cortisol Detox

„Cortisol-Detox“ klingt wie die schnelle Lösung für viele Alltagsprobleme. Doch die vermeintlichen Wundermittel und Routinen aus dem Netz beruhen oft auf Halbwissen, Marketing oder unklaren Daten. 

Anstatt uns auf fragwürdige Detox-Methoden, sollten wir uns auf die Förderung eines gesunden Lebensstils konzentrieren. Das bedeutet, Stress aktiv zu managen und auf die Signale unseres Körpers zu hören. Denn ein ausgewogenes Leben ist der beste Weg, um das Wohlbefinden zu steigern.

Quellen:
​​​​​​​https://flexikon.doccheck.com/de/Cortisol
https://www.endokrinologie.net/pressemitteilung/dge-raet-von-hormon-selbsttests-ab.php
https://www.helios-gesundheit.de/magazin/news/03/cortisol/
https://www.mdpi.com/1422-0067/23/15/8178
https://www.rupahealth.com/post/cortisol-and-pcos
https://www.ukbonn.de/gynaekologische-endokrinologie-und-reproduktionsmedizin/behandlungsspektrum/hormonstoerungen/das-pco-syndrom/
https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Mediziner-warnen-vor-Internettrend-der-Cortisol-Entgiftung-457129.html

null Kinderkrankentage 2025 und Kinderkrankengeld: Was steht mir zu?

Eine Miniatur-Frau mit Baby sitzt auf einem Stapel von Münzen neben einem Haufen von Rechnungen und ein Miniatur-Mann mit Baby neben ihnen.
Eltern & Kind

Kinderkrankentage 2025 und Kinderkrankengeld

Ein krankes Kind stellt insbesondere berufstätige Eltern vor eine große Herausforderung: Sie wollen im Job ihr Bestes geben und gleichzeitig für ihr Kind da sein. Der Gesetzgeber sieht für diese Situationen die Kinderkrankentage vor. Wir fassen zusammen, was Eltern im Jahr 2025 zusteht.

Verena Frech, pme-Fachberaterin "Eltern & Kind" hat die wichtigsten Bedingungen zusammengefasst.

Wer hat Anspruch auf Kinderkrankentage und Kinderkrankengeld?

Unter folgenden Voraussetzungen haben Eltern Anspruch auf Kinderkrankentage:

  • Sie sind berufstätig.
  • Sie sind gesetzlich krankenversichert und haben selbst Krankengeldanspruch.
  • Ihr Kind ist ebenfalls gesetzlich krankenversichert.
  • Ihr Kind ist unter 12 Jahre alt (bei behinderten Kindern gibt es keine Altersgrenze).
  • Ihr Kind lebt in Ihrem Haushalt.
  • Ein ärztliches Attest bestätigt die Erkrankung Ihres Kindes.
  • In Ihrem Haushalt lebt kein anderer Erwachsener, der sich um Ihr Kind kümmern kann.

Wie viele Kinderkrankentage stehen mir 2025 zu?

  • 2025 stehen jedem gesetzlich versicherten Elternteil pro gesetzlich versichertem Kind 15 Arbeitstage im Kalenderjahr zu.
  • Wenn Sie mehrere Kinder haben, stehen jedem Elternteil maximal 35 Arbeitstage im Kalenderjahr zu.
  • Alleinerziehende haben Anspruch auf 30 Kinderkrankentage bei einem Kind und maximal 70 Tage im Jahr bei mehreren Kindern.

Wer zahlt meinen Lohn, wenn das Kind krank ist?

Bei den Kinderkrankentagen handelt es sich um eine zeitlich begrenzte Freistellung, die Sie bei Ihrem Arbeitgeber anmelden müssen. Ob diese Freistellung von Ihrem Arbeitgeber bezahlt wird oder nicht, hängt von Ihrem Arbeits- bzw. Tarifvertrag ab.

Für beide Varianten gibt es eine gesetzliche Grundlage.

Nach § 616 BGB ist eine bezahlte Freistellung grundsätzlich möglich, wenn man unverschuldet für eine verhältnismäßig unerhebliche Zeit an der Arbeitsleistung verhindert ist. Die bezahlte Freistellung kann zeitlich begrenzt werden; oft liegt die Grenze bei 5 Tagen im Jahr, denn nach aktueller Rechtsprechung müsste ein Unternehmen das Gehalt für bis zu fünf Arbeitstage fortzahlen. Der Arbeitgeber kann die bezahlte Freistellung nach § 616 BGB jedoch vertraglich ausschließen.

Wenn die bezahlte Freistellung ausgeschlossen ist oder die verfügbaren bezahlten Tage bereits genutzt wurden, greift § 45 SGB V. Dieser sieht eine unbezahlte Freistellung mit der Möglichkeit des Krankengeldbezugs vor, wenn man zur Beaufsichtigung, Betreuung und Pflege eines erkrankten Kindes der Arbeit fernbleiben muss.

Wie hoch ist das Kinderkrankengeld?

  • Das Kinderkrankengeld beträgt i. d. R. bis zu 90 % des Nettoverdienstes, ist jedoch gedeckelt (s. Punkt 4).
  • Es kann bis zu 100% des Nettoverdienstes betragen, wenn in den vorangegangenen 12 Kalendermonaten steuerpflichtige Einmalzahlungen (z.B. Weihnachtsgeld) gezahlt wurden.
  • Der Höchstsatz bemisst sich an der jährlich angepassten Beitragsbemessungsgrenze (2025: 5.512 € pro Monat).
  • Als Brutto-Kinderkrankengeld erhält man 70% der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze, das entspricht 128,63 € pro Tag im Jahr 2025.
  • Vom Brutto-Kinderkrankengeld werden anschließend Beiträge für Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung abgezogen.
  • Das Kinderkrankengeld ist steuerfrei, unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt.

Entsprechend ist das Kinderkrankengeld deutlich niedriger als der eigentliche Nettoverdienst der Eltern.

Neu seit 2024: Bei stationärer Aufnahme des Kindes gilt ein unbegrenzter Anspruch auf Kinderkrankengeld.

Wie beantrage ich Kinderkrankengeld?

Jedes Mal, wenn Ihr Kind krank ist, erhalten Sie vom Kinderarzt oder von der Kinderärztin eine sogenannte „Ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes“.

Auf der Rückseite oder im unteren Teil der Bescheinigung finden Sie den Antrag auf Krankengeld. Diesen füllen Sie mit Ihren persönlichen Daten vollständig aus. Im Anschluss reichen Sie die Bescheinigung bei Ihrer Krankenkasse ein. Geben Sie an, ob Sie Recht auf eine Entgeltfortzahlung durch Ihren Arbeitgeber haben oder nicht.  

Informieren Sie Ihren Arbeitgeber so früh wie möglich, dass Sie aufgrund der Krankheit Ihres Kindes zu Hause bleiben müssen. Geben Sie an, wie lange Sie voraussichtlich zu Hause bleiben müssen. Falls dies noch unklar ist, können Sie auch sagen, dass Sie die Situation weiter beobachten werden. In vielen Fällen benötigt der Arbeitgeber einen Nachweis über die Krankheit des Kindes („Ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes“), besonders wenn Sie länger als 3 Tage zu Hause bleiben.

Alle Unterlagen müssen vollständig ausgefüllt bei der Krankenkasse des Antragstellers eingereicht werden.

So geht es mit dem Kinderkrankengeld weiter

Ihr Arbeitgeber übermittelt einen Nachweis über das ausgefallene Arbeitsentgelt an Ihre Krankenkasse. Nachdem diese mit dem Nachweis Ihr individuelles Kinderkrankengeld berechnet hat, erhalten Sie das Kinderkrankengeld auf Ihr angegebenes Bankkonto.

Weitere nützliche Informationen rund um Kinderkrankentage und Kinderkrankengeld

Auch Eltern, die im Homeoffice arbeiten, haben Anspruch auf Kinderkrankentage und Kinderkrankengeld, wenn sie ihre Tätigkeit aufgrund der Betreuung des kranken Kindes nicht ausüben können.

Man kann den Anspruch auf Kinderkrankengeld von einem auf den anderen Elternteil übertragen, wenn beide Eltern berufstätig und gesetzlich krankenversichert sind. Der Arbeitgeber muss jedoch zustimmen.

Privat krankenversicherte Eltern haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld. Es gibt jedoch Versicherungen, bei denen das Kinderkrankengeld zusätzlich mit aufgenommen werden kann. Ist das Kind selbst privat krankenversichert, besteht kein Anspruch auf Kinderkrankengeld, auch wenn ein Elternteil gesetzlich versichert ist.

Muss ein Kind aufgrund eines Unfalls betreut werden, übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten, insofern sich der Unfall im Kindergarten, im Hort oder in der Schule bzw. auf dem Weg dorthin oder von dort nach Hause ereignet hat.

Eltern, deren Kind schwerstkrank ist und eine sehr geringe Lebenserwartung hat, können zeitlich unbegrenzt Krankengeld bekommen. Das Kind muss dazu nicht in ihrem Haushalt leben.

Eltern, die Arbeitslosengeld I oder Bürgergeld beziehen, erhalten ihre Leistungen weiterhin, wenn Sie ihr krankes Kind pflegen und dem Amt zu dieser Zeit nicht zur Verfügung stehen können. Arbeitslosen steht die gleiche Anzahl an Kinderkrankentagen zu wie Berufstätigen.

Ein krankes Kind kann den gewohnten Familien- und Berufsalltag erheblich auf den Kopf stellen. Der pme Familienservice bietet berufstätigen Eltern Unterstützung und Beratung, beispielsweise mit der Vermittlung von Kinderbetreuer:innen, Notbetreuungspersonen und Haushaltshilfen. Wir stehen Ihnen gerne mit weiteren Informationen zur Verfügung!

Vermittlung Kinderbetreuung

Weiterführende Informationen und Quellen

Von Kinderzuschlag bis Kinderkrankentage: Das ändert sich 2024 (Stand: 18.03.24)

Neue Beitragsbemessungsgrenzen für 2024 (Stand: 18.03.24)

So beantragst du Kinderkrankentage (Stand: 18.03.24)

Kinderkrankengeld und Freistellung von der Arbeit (Stand: 18.03.24)

Begrenzung der bezahlten Freistellung: BAG, Urteil vom 19. April 1978