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Revierdoc Dr. Matthias Manke
Body & Soul

Dr. Manke: Das hilft gegen Rückenschmerzen!

Ob Nackensteife, Bandscheibenvorfall oder der berühmte Hexenschuss: Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sind Ursache Nr. 1 für Krankschreibungen im Job. Revierdoc Dr. Matthias Manke gehört zu Deutschlands bekanntesten Orthopäden und erzählt im Interview, wie es dauerhaft gelingt, Nacken- und Rückenschmerzen entgegenzuwirken.

Herr Dr. Manke, 80 Prozent der Deutschen leiden unter Rückenschmerzen. Erkrankungen an der Wirbelsäule sind mit 25 Prozent die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Was machen wir falsch?

Dr. Matthias Manke: Wir vernachlässigen im Alltag unseren Körper – und wenn dann Rückenschmerzen auftreten, schieben wir es auf die rückenbelastende berufliche Tätigkeit – oder auf unsere schlechten Bandscheiben.

Woran wir aber im Regelfall nicht denken, ist der Bewegungsausgleich im Alltag. Eine einseitige, sich immer wiederholende Belastung führt zu Problemen, wenn nicht ausreichend Ausgleichsbewegungen gemacht werden. Home-Office am Küchentisch muss nicht zwangsweise zu Nackenbeschwerden führen, und auch ein Übergewichtiger muss nicht unbedingt abnehmen, damit er rückenschmerzfrei wird. Entsprechend meiner Maxime „Bewegen heißt Leben“ müssen wir uns alle regelmäßig und ausreichend „gut“ bewegen. So können wir meiner Meinung nach das Risiko, an Rückenschmerzen zu erkranken, um 80 Prozent reduzieren.

In Ihrem Buch „Wenn der Orthopäde Rücken hat“ schreiben Sie, dass Rückenschmerzen nicht nur körperliche Ursachen, sondern auch seelische oder psychische Gründe haben können.

„Der Rücken ist ein Spiegelbild der Seele“ heißt es. Schmerzwahrnehmung und -weiterleitung sowie Muskelaktivität werden über unser Nervensystem geregelt. Und bei psychischem und seelischem Stress wird dieses System empfindlicher.

Der Muskel hat im Normalzustand bereits eine erhöhte Spannung, während die Nervenzellen empfindlicher gestellt sind. Beides führt dazu, dass die persönliche Schmerzschwelle reduziert wird, und die körperliche Reaktion mit Muskelverspannung schon sehr früh erfolgt. Psychischer Stress begünstigt die Chronifizierung von Schmerzen. Im schlimmsten Fall verselbstständigt sich der Schmerz – und der Arzt kann keine organische Ursache mehr finden.

Was können Menschen, die jeden Tag sehr lange am Schreibtisch sitzen tun, um Rückenschmerzen entgegenzuwirken oder erst keine zu bekommen?

Mein Geheimtipp ist „Bewegungsausgleich“. Ich muss mir entweder im Kopf oder tatsächlich einen Spiegel vor bzw. neben mich stellen und erkennen, in welcher Position ich bei der Arbeit verweile.

Bei der Schreibtischarbeit drehen sich unsere Schultern nach vorne und bilden das „Schulter-C“ während sich unser Kopf nach vorne neigt. Damit ist unsere Schulter-Nackenmuskulatur ständig überdehnt. Was macht ein Muskel, wenn er überdehnt wird? Er verliert an Kraft – und infolgedessen verkrampft er.

Und was machen wir (leider) falsch? Wir dehnen die verkrampfte Muskulatur auf. Was vielleicht im akuten Fall zu einer Schmerzlinderung führt, bringt uns langfristig keinen Erfolg. Wir müssen unsere Hals-Nackenmuskulatur hingegen stärken, damit sie nicht vor permanenter Schwäche verkrampft.

Welches sind allgemein die häufigsten Rückenleiden bei Berufstätigen?

Die häufigste Ursache  ist eine muskuläre Dysbalance. Fast jeder Muskel unseres Körpers hat einen Gegenspieler – und im Regelfall sollten beide hinsichtlich Kraft und Mobilität harmonieren. Tun sie das nicht, so kann das Ungleichgewicht Beschwerden verursachen. Zwar nicht von jetzt auf gleich und offensichtlich, sondern langsam und oft  für uns erst einmal nicht spürbar.

Unterscheiden sich hier Frauen von Männern?

Während Männer und Frauen über ihre gesamte Lebenszeit Einfluss auf den Muskelapparat nehmen können, sieht es bei den Bändern und Knochen weniger gut aus. Diese Strukturen unterliegen einem Alterungsprozess, der von verschiedenen Faktoren abhängig ist. Während Übergewicht noch beide Geschlechter betrifft, so können die hormonellen Veränderungen im Rahmen von Schwangerschaft oder Wechseljahren beim weiblichen Geschlecht eher zu Lockerungen des Kapsel-Band-Apparates führen.

Was hat die Ernährung mit einem gesunden Rücken zu tun?

Ein ungesunder Lebensstil mit zu viel Süßem und zu viel Weizen kann zu einer Übersäuerung der Knorpel-Bandstrukturen und wiederum zu einer Lockerung des Kapsel-Bandapparates in den kleinen Gelenken an der Wirbelsäule führen. Neben ausreichender Bewegung, die den Stoffwechsel in Schwung bringt und dem Körper dabei hilft, überschüssige Säure auszuscheiden, empfiehlt sich eine basische Ernährung. Das heißt nicht, dass man auf Säurebildner wie Fleisch, Fisch und Backwaren gänzlich verzichten sollte, sondern darauf achtet, dass mindestens die Hälfte einer Mahlzeit aus Salat, Gemüse und/oder Obst besteht.

Achtsamkeit, gesunder Schlaf, Stressabbau: Was können Menschen tun, um möglichst lange fit zu bleiben?

Eine einzige Regel befolgen: „Übernimm die Verantwortung für deinen Körper!“! Behandle deinen Körper wie einen materiellen Gegenstand, der dir sehr am Herzen liegt – und der in keinster Weise Schaden nehmen soll.

Unser Körper ist ein dynamisches System, das ausgeglichen (Bewegungsausgleich), belastet (Sport) und entlastet (ausreichend Schlaf und Ruhe) werden muss.

Wir alle haben nur diesen einen Körper – und  können zwar gewisse Organe und Gelenke ersetzen. Dennoch ist das eigene angeborene System im Regelfall besser als ein medizinisches Ersatzteil. Achtsamkeit sollte man nicht nur sagen – sondern auch leben!

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