Zu sehen sind Dr. Manfred Lütz und Podcast Host Oliver Schmidt
Psyche

Folge 41: Wie normal bin ich eigentlich?

Psychische Erkrankungen und Lebenskrisen werden häufig missverstanden und oft zu schnell pathologisiert. Dr. Manfred Lütz wirft in seinem Buch „Neue Irre! Wir behandeln die Falschen“ (Kösel Verlag, 2020) einen neuen Blick auf das Thema. Im Interview erklärt er, warum Stigmatisierung schadet und wie wir Menschen in Krisen wirklich unterstützen können – ohne vorschnelle Diagnosen. ​​​​​

"Die wahren Probleme liegen oft bei den sogenannten Normalen"

Work:Life-Blog: Herr Lütz, Sie unterscheiden in Ihrem Buch zwischen „normal“ und „unnormal“. Was bedeutet das für Sie im Bereich psychische Gesundheit?

Manfred Lütz: Der Titel „Neue Irre! Wir behandeln die Falschen“ ist ironisch gemeint. Psychisch Kranke sind oft viel sensibler und sympathischer als sogenannte „Normale“. Der Begriff „Normalität“ ist schwierig, denn letztlich sind wir alle merkwürdig – das heißt aber nicht, dass wir krank sind. Der Normalitätsbegriff ist sehr subjektiv.

 

Dieser letscast.fm Inhalt kann erst geladen werden, wenn Sie die Datenschutzbestimmungen von letscast.fm akzeptieren.

Zu den Datenschutzeinstellungen »

Sie sagen, wir behandeln oft die Falschen. Was meinen Sie damit?

Manfred Lütz: Wenn ich tagsüber in der Klinik mit depressiven, manischen oder schizophrenen Patient:innen arbeite, die oft sehr sympathisch sind, und abends in den Nachrichten sehe, wie Kriegstreiber, Wirtschaftskriminelle oder rücksichtslose Egoisten agieren, komme ich ins Grübeln.

Viele große Verbrecher der Geschichte waren psychisch gesund – ganz im Gegenteil zu den Klischees. Hitler war kein Verrückter, sondern ein „normaler“ Mensch, der schreckliche Dinge geplant hat. Die wahren Probleme liegen oft bei den sogenannten Normalen.

Ein alter Chef von mir nannte solche Menschen „Normopathen“ – also Menschen, die so normal sind, dass es schon weh tut. Psychisch Kranke sind statistisch weniger oft straffällig als Normale. Also: Hüten Sie sich vor den Normalen!

"Ein Drittel der Bevölkerung ist einmal im Leben psychisch krank"

Warum werden psychisch Kranke dann so stigmatisiert, während fragwürdiges Verhalten von „Normalen“ oft toleriert wird?

Manfred Lütz: Weil Unbekanntes Angst macht und viele Menschen psychische Krankheiten nicht verstehen. In Deutschland hängt das auch mit der Geschichte des Nationalsozialismus zusammen, wo psychisch Kranke verfolgt wurden.

Außerdem haben viele Menschen Angst, selbst betroffen zu sein – etwa weil sie einem Angehörigen mit psychischer Erkrankung nahestehen. Dabei ist etwa ein Drittel der Bevölkerung mindestens einmal im Leben psychisch krank. Das ist also ganz normal, aber man redet nicht gern darüber.

Sie gehen auch humorvoll an das Thema heran, etwa in Ihren Kabarett-Auftritten.

Manfred Lütz: Ja, Humor ist wichtig, um komplexe Themen verständlich zu machen. Mein Ziel ist es, dass jeder meine Bücher versteht – auch mein Metzger. Psychische Krankheiten sind Teil des Lebens, und man kann auch unterhaltsam darüber sprechen, ohne das Thema zu verharmlosen.

Auf Social Media wird viel Aufklärung betrieben, etwa zu AD(H)S oder Narzissmus. Wie sehen Sie das?

Manfred Lütz: Grundsätzlich positiv, denn psychische Krankheiten gehören zum normalen Leben. Aber manchmal sind die Infos dort zu knapp oder einseitig. Spektakuläre Fälle wie multiple Persönlichkeiten ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich, obwohl häufigere Erkrankungen wie Schizophrenie viel mehr Menschen betreffen und gut behandelbar sind.

Wie erkennt man, ob jemand psychisch krank ist oder nur eine schwere Lebensphase durchmacht?

Manfred Lütz: Ein wichtiger Hinweis sind Angehörige: Wenn Freunde oder Familie merken, dass jemand sich stark verändert, ist das ein Warnsignal. Die Grenze zwischen Krise und Krankheit ist fließend. Wer etwa schon Depressionen hatte und uneinsichtig wird, sollte auf die Einschätzung der Angehörigen hören – auch wenn die Betroffenen das manchmal nicht wollen.

Sie erzählen auch von Fällen, in denen vermeintliche psychische Probleme eine körperliche Ursache haben, etwa einen Hirntumor.

Manfred Lütz: Genau. Ein Fall, den ich betreut habe, zeigte, wie wichtig medizinische Untersuchungen sind: Ein Mann, den seine Frau als Alkoholiker anmeldete, hatte tatsächlich einen Hirntumor. Nach der Operation war er wieder gesund. Das zeigt, wie wichtig es ist, keine schnellen Diagnosen zu stellen, sondern sorgfältig zu untersuchen.

Zum Thema Sucht: Sie nennen die „drei F“ als Hinweise auf eine problematische Alkoholsucht. Können Sie das kurz erklären?

Manfred Lütz: Die Menge Alkohol sagt nichts über die Sucht aus. Entscheidend sind soziale Warnzeichen: Abmahnungen im Job (Firma), Konflikte in der Partnerschaft (Frau) oder der Verlust des Führerscheins (Führerschein) sind ernst zu nehmende Signale. Wer trotz solcher Warnungen weiter trinkt, hat höchstwahrscheinlich ein Suchtproblem.

"Die wichtigste Hilfe kommt oft von Freunden"

Wie sieht für Sie gute Krisenberatung aus, jenseits von Diagnose-Schubladen?

Manfred Lütz: Die wichtigste Hilfe kommt oft von Freunden, nicht von Psychotherapeuten. Psychotherapeuten sind Fachleute für psychische Störungen, aber Lebenskrisen brauchen oft einfach nur menschliche Nähe und Verständnis. Wenn jemand in einer Krise ist, sollte er sich an vertraute Menschen wenden, die nicht mit Methoden, sondern mit ehrlichem Zuhören helfen.

Was raten Sie Angehörigen, die eine Person in der Krise unterstützen wollen?

Manfred Lütz: Nicht sofort in Panik verfallen. Meistens handelt es sich um eine Krise, keine Krankheit. Gute Freunde sind oft die besten Ratgeber. Wenn Angehörige aber feststellen, dass sich jemand stark verändert hat, sollten sie das ernst nehmen und Hilfe suchen, etwa bei einem Psychiater oder psychosozialen Beratungsstellen.

Welche drei Dinge müssten sich im gesellschaftlichen Umgang mit psychischer Gesundheit ändern?

Manfred Lütz: Erstens: mehr Aufklärung, gerade in den Medien, über psychische Krankheiten wie Schizophrenie. Zweitens: In der ambulanten Psychotherapie sollten Indikationsgespräche eingeführt werden, damit nur wirklich Erkrankte die Behandlung bekommen, was Wartezeiten verkürzen würde. Drittens: Die stationäre Versorgung ist gut, aber man muss die psychosozialen Dienste stärker nutzen und die Notfallversorgung verbessern.

Zum Schluss: Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?

Manfred Lütz: Dass die Gesellschaft psychische Gesundheit nicht mehr stigmatisiert, sondern als normalen Teil des Lebens versteht. Und dass wir alle offener darüber reden, um Menschen in Krisen besser zu unterstützen – mit mehr Menschlichkeit, weniger Vorurteilen und verlässlicher Hilfe.

Exklusiv für pme Kund:innen: Vortrag mit Dr. Manfred Lütz 
„Um die Normalen zu verstehen, muss man erst die Verrückten studiert haben“ – so beschreibt Manfred Lütz seinen Blick auf die menschliche Psyche. Top-Speaker Manfred Lütz lädt sie am 06.11.2025 von 19:00 bis 20:30 Uhr auf eine faszinierende Reise durch die Psychiatrie ein und beleuchtet die Vielfalt psychischer Erkrankungen wie Schizophrenie, Depression und Demenz. Freuen Sie sich auf seinen Vortrag "Irre – Wir behandeln die Falschen". 

Heiter bis stürmisch - der Alltags-Podcast mit Olli Schmidt

Willkommen bei "Heiter bis stürmisch" – dem Alltags-Podcast. Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt: Das Leben hat Höhen und Tiefen. Genau darum geht es bei uns: um die alltäglichen Krisen wie Streit mit dem Partner oder der Partnerin, Erziehungsfragen, Überlastung im Job, Unsicherheiten und Angst. Wir sprechen mit Expert:innen und geben Ihnen praktische Tipps an die Hand, damit Sie besser mit Krisen und Herausforderungen umgehen können.

Unseren Podcast gibt es auf allen bekannten Podcast-Plattformen zu hören (Spotify, Apple Music, Audible etc.)! Fragen, Anregungen, Kritik, Wünsche? Schreiben Sie uns gerne an: podcast@familienservice.de

Lebenslagencoaching beim pme Familienservice

Beim pme Familienservice schaffen wir mit unserem Lebenslagencoaching Räume, in denen Menschen in schwierigen Lebenssituationen Unterstützung finden – ohne Pathologisierung, aber mit viel Empathie und professioneller Begleitung. Wir fördern einen sensiblen und individuellen Umgang mit psychischer Gesundheit, der Lebenskrisen als Teil des menschlichen Erlebens anerkennt.

null Winterzeit: 7 Tipps für eine entspannte Zeitumstellung - pme Familienservice Blog

Mann im Herbst checkt Uhrzeit
Body & Soul

7 Tipps für eine entspannte Zeitumstellung

In der Nacht von Samstag, 25. Oktober 2025, auf Sonntag, 26. Oktober 2025, werden die Uhren wieder auf Winterzeit umgestellt. Die gewonnene Stunde Schlaf klingt für viele verlockend – doch für Menschen mit sensibler innerer Uhr kann die Zeitumstellung anstrengend sein. Müdigkeit, Gereiztheit oder sogar depressive Verstimmungen sind keine Seltenheit. Wir haben 7 Tipps, die Ihnen helfen, mit oder ohne Kind besser in die Winterzeit zu starten.

Warum fällt die Umstellung so schwer?

Schuld ist der Biorhythmus - oder die innere Uhr, die aus dem Takt gerät.

Bereits kleine Abweichungen im Biorhythmus können unseren Schlaf-Wach-Zyklus aus dem Gleichgewicht bringen. Der Körper benötigt für die Anpassung – ähnlich wie bei einem Mini-Jetlag – einige Tage bis hin zu drei Wochen. Gerade kleine Kinder orientieren sich ohnehin mehr an ihrer inneren Uhr als an der Uhrzeit.

Laut einer Forsa-Umfrage der DAK-Gesundheit aus dem Jahr 2023 mit 1.000 Befragten, hatten 25 Prozent der Deutschen infolge der Zeitumstellung schon einmal gesundheitliche oder psychische Probleme oder Schwierigkeiten damit, rechtzeitig aufzustehen. Dabei gaben 49 Prozent derjenigen Befragten mit Problemen an, bis zu einer Woche Schwierigkeiten mit der Umstellung gehabt zu haben. 25 Prozent hatten diese Probleme sogar bis zu einem Monat lang.

Erwachsene klagen über Schlafstörungen, Gereiztheit oder Konzentrationsprobleme, Kinder reagieren vor allem mit Einschlaf- oder Durchschlafproblemen, sind tagsüber müde oder appetitlos. Erst nach etwa 14 Tagen hat sich der Biorhythmus eingespielt.

7 Tipps, um besser in die Winterzeit zu starten

1. Auf die Zeitumstellung langfristig vorbereiten

Wer sich von der plötzlichen Zeitumstellung nicht überraschen lassen möchte oder kleine Kinder hat, für den ist dieser Tipp Gold wert: Gehen Sie jeden Tag eine Viertelstunde später ins Bett! Bei Kindern empfiehlt es sich, die Anpassungsphase etwas länger zu ziehen, so dass sie am Tag der Zeitumstellung bereits körperlich „umgestellt“ sind. Auch der Mittagsschlaf sollte vor der Zeitumstellung leicht nach hinten geschoben werden. Legen Sie ihre Mahlzeiten an diesen Tagen ebenso immer ein wenig weiter nach hinten.

2. Frische Luft steigert das Wohlbefinden

Das Allroundmittel Sauerstoff hilft auch bei der Umstellung auf die kalte Jahreszeit. Sollte Sie tagsüber die Müdigkeit überfallen, gehen Sie an die frische Luft und nehmen Sie ein paar tiefe Atemzüge. Der Sauerstoff aktiviert Ihren Körper und Sie können die Müdigkeit für den Rest des Tages hinauszögern.

3. Tanken Sie Licht

Gehen Sie am späteren Nachmittag – aber noch bei Tageslicht – spazieren. Das eicht Ihre innere Uhr, stellt sie auf das längere Wachbleiben ein und gibt nochmal einen Energieschub für den bevorstehenden Abend.

4. Power-Booster Kunstlicht

Auch blauhaltiges Kunstlicht am Nachmittag kann bei der Umstellung helfen. Denn Licht mit einem starken Blauanteil macht munter. Das bedeutet umgekehrt aber auch, dass Sie vor dem Einschlafen nicht mehr das Handy zur Hand nehmen sollten.

5. Entspannungshelfer bei Einschlafstörungen

Bei Schlafstörungen helfen beruhigende Tees wie Melisse oder Baldrian, ein erholsames Bad oder kleine Entspannungsübungen. Nehmen Sie außerdem ab nachmittags Abstand von Wachmachern wie Kaffee oder Cola. Auf Alkohol sollten Sie in der Umstellungszeit möglichst ganz verzichten.

6. Das richtige Essen

Eine ausgewogene Ernährung hat großen Einfluss auf Ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden. Meiden Sie – vor allem am Abend - schwere, fettige Mahlzeiten. Sie belasten den Kreislauf zusätzlich und können einen ruhigen Schlaf beeinträchtigen.

​​​​​​​7. Sport

Sport macht müde! Bevor er das aber tut, aktiviert er jede Körperzelle. Sie fühlen sich frischer und entspannter. Legen Sie Ihr Work-Out daher lieber auf die späteren Nachmittags- oder frühen Abendstunden. Sie werden sich ausgeglichener fühlen und nachts besser schlafen.