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Mindestlohn für 24-Stunden-Kräfte - was tun?

Pflegekräfte sind gesucht wie nie. War das Pflegeheim früher oft die einzige Lösung, wenn keine Angehörigen vor Ort waren, wird nun die ambulante Versorgung häufig mit 24-Stunden-Kräften sichergestellt, meist Frauen aus osteuropäischen Ländern. Rund 300.000 Menschen werden in Deutschland auf diese Weise betreut.

Die Pflegeversicherung verfolgt das Prinzip „Ambulant vor stationär“ und hat zuletzt die Leistungen für häusliche und vollstationäre Versorgung weitgehend angepasst. Das war für die Nutzer:innen von 24-Stunden-Kräften sehr attraktiv. Nun bringt ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) dieses Erfolgsmodell ins Wanken. 

24-Stunden-Betreuung: Eine wichtige Säule der Pflege

24-Stunden-Betreuung ist eine wichtige Ergänzung zu den ambulanten Pflegeformen und für viele Menschen die Alternative zu einem Pflegeheim, sagt Eldercare-Experte Jürgen Griesbeck. „Besonders jetzt während der Corona-Pandemie sind die Bedingungen in Heimen sehr schwierig: Wer Angehörige besuchen möchte, braucht vielfach immer noch einen Termin, muss sich testen lassen und kann nur eine begrenzte Zeit dort verbringen. Viele sind deshalb froh, wenn ihre Angehörigen zu Hause gepflegt werden können, denn das bietet ihnen bessere Besuchs- und Unterstützungsmöglichkeiten“. 

Der Begriff „24-Stunden-Kraft“ ist allerdings irreführend. Auch eine Präsenzkraft darf nicht rund um die Uhr arbeiten, die arbeitsrechtlichen Bestimmungen gelten auch für sie. Sowohl ein freier Tag pro Woche als auch tägliche Ruhezeiten können nicht in Bereitschaftszeiten umgewandelt werden.

Mindestlohn auch für Bereitschaftszeiten

Für Aufsehen sorgt nun ein Urteil des BAG vom Juli 2021. Geklagt hatte eine bulgarische Pflegekraft. Von ihr wurde rund um die Uhr Bereitschaft verlangt, obwohl ihr Vertrag nur eine Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche vorsah, für die sie bezahlt wurde. Sie klagte auf Nachzahlung der geleisteten Arbeit nach dem deutschen Mindestlohngesetz. 

Das Landesarbeitsgericht Berlin gab ihr Recht und sprach ihr eine Nachzahlung von mehr als 38.000 Euro zu. Zwar hob das BAG das Urteil auf, weil die Arbeitszeiten nicht detailliert nachgewiesen werden konnten. Es legte aber fest, dass für 24-Stunden-Betreuung der Mindestlohn gezahlt werden muss – auch für Bereitschaftszeiten. 

Gesetz erst mit der neuen Regierung

Auch wenn mit einem entsprechenden Gesetz erst in der kommenden Legislaturperiode unter der neu gewählten Regierung zu rechnen ist, wird das Urteil Konsequenzen haben. „Für Angehörige, die derzeit 24-Stunden-Kräfte beschäftigen, wirft das Urteil einige Fragen auf. Etwa die nach einer möglichen Nachzahlungsforderung ihrer Pflegekräfte, denn Löhne müssen bis 3 Jahre nach dem Beschäftigungsverhältnis zurückbezahlt werden. Auch stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das Urteil auf bereits geschlossene Verträge hat“, sagt Griesbeck. 

24-Stunden-Betreuung – das ist jetzt wichtig

Den legalen Weg beschreiten

Vermutlich werden nur 10 bis 20 % der 24-Stunden-Kräfte in Deutschland legal beschäftigt, es gibt viel Schwarzarbeit oder geringfügige Beschäftigung. Nutzer und Anbieter gehen damit ein großes Risiko ein: Wer erwischt wird, muss nicht nur mit einem Bußgeld rechnen, sondern auch mit erheblichen Nachzahlungen, weil dies gerichtlich als „illegaler Umgehungsversuch“ gewertet wird. Werden Nachzahlungen fällig bei Kräften, die über Agenturen vermittelt wurden, müssen diese die Nachzahlungen leisten und nicht die Pflegebedürftigen oder deren Angehörige.

Bedarf an Pflege ermitteln

Oft müssen die Pflegekräfte ohnehin nicht ständig im Einsatz sein. Überlegen Sie sich deshalb vorab genau, welchen täglichen Hilfebedarf der betroffene ältere Mensch tatsächlich hat. Außerdem: Geht es mehr um hauswirtschaftliche Versorgung, um Körperpflege, um Präsenz oder eher um Nachtdienst? Je mehr Sie sich hier im Klaren sind, umso besser können Sie entscheiden, ob Sie mit einem Engagement-Mix aus verschiedenen Anbietern eine bessere und passgenaue Lösung herstellen können. Nach der Bedarfsermittlung wissen Sie auch, ob die 24-Stunden-Kraft vielleicht nur sechs oder acht Stunden täglich benötigt wird. Dann hat sie die restliche Zeit frei, und Sie müssen diese Zeit nicht bezahlen.

Tatsächlich geleistete Arbeit genau dokumentieren

Es ist zwingend notwendig, über die geleistete Arbeitszeit einen Stundenzettel (täglich, wöchentlich, monatlich) zu führen, der von beiden Seiten abgezeichnet wird. So lässt sich sehr schnell erkennen, ob die tatsächliche und die vereinbarte Arbeitszeit noch übereinstimmen oder Anpassungen vorgenommen werden müssen. Vielleicht kostet die Pflege dann etwas mehr, dafür vermeiden Sie böse Überraschungen und Unzufriedenheit.

Beschäftigungsverhältnis mit Pflegekraft klären

Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine Pflegekraft zu beschäftigen. Zum einen kann die Familie sie direkt anstellen. Das erspart Vermittlungsgebühren, dafür muss die Familie alle Pflichten als Arbeitgeber erfüllen. Hier empfiehlt sich eine Beratung durch die Agentur für Arbeit, die Verbraucherzentralen oder den pme Familienservice. 

Zum anderen gibt es das sogenannte Agenturmodell über das Entsendegesetz. Pflegekräfte sind hier als freie Gewerbetreibende mit deutschem Gewerbeschein oder als „arbeitnehmerähnliche Selbstständige“ tätig. Das kostet etwas mehr, dafür liegen alle Rechtsrisiken bei den Vermittlungsagenturen. In jedem Fall ist die A1-Bescheinigung für die Rentenversicherung zwingend vorzulegen.

Alternativen prüfen

Neben den 24-Stunden-Kräften gibt es inzwischen besondere Versorgungsmodelle (Wohngruppen, Tagespflege) und Betreuungsangebote aus dem Bürgerschaftlichen Engagement über verschiedene in Deutschland ansässige Dienstleister sowie bezahlbare Seniorenbetreuung vor Ort. Hilfsmittel aus dem Bereich des Ambient Assisted Living können zusätzlich gute Unterstützung leisten. 

pme Familienservice berät zu Alternativen für die 24-Stunden-Betreuung

Unabhängig davon, wie es nun weitergeht mit den Regelungen für 24-Stunden-Betreuung: Es gibt auch andere Möglichkeiten. „Beim pme Familienservice haben wir uns immer dafür stark gemacht, Zwischenwege zu finden“, sagt Jürgen Griesbeck. „Unser Ansatz ist sehr breit, 24-Stunden-Betreuung nur ein Segment unter mehreren“. So stellt der pme Familienservice individuelle Pflegearrangements zusammen, die z. B. aus einer Kombination aus Ehrenamt, ambulanten Diensten und privaten Betreuungspersonen bestehen können – unterstützt durch technische Hilfsmittel und Hausnotruf. 

 

 

„Es gibt stets mehr als nur eine Lösung. Meine Empfehlung für Beschäftigte unserer Kundenunternehmen und ihre Angehörigen: Lassen Sie sich von uns beraten, wir finden das passende Pflegearrangement für Sie. Und selbstverständlich sind wir auch Ansprechpartner und Anwalt unserer Kund:innen, wenn es um die Bedingungen der 24-Stunden-Betreuung geht“. 

Jürgen Griesbeck, Verantwortlicher Homecare-Eldercare beim pme Familienservice

 

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